Ein Gespräch über den Tod – Teil 4
K: Ich sage, es ist nicht vorbei. Das Gute kann nie zu Ende sein. So wie das Böse (ich benutze das Wort ›Böse‹, obwohl zu viel Dunkelheit damit verbunden ist) in der Welt weiter existiert, nicht wahr? Das Böse unterscheidet sich vollkommen vom Guten. Das Gute existiert und hat immer existiert, aber nicht als das Gegenteil des Bösen. Das Böse hat aus sich selbst weiter existiert.
PJ: Aber wir kommen von unserem Thema ab.
K: Da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber es spielt keine Rolle; fahr bitte fort.
PJ: Du sagst, dass es nicht verschwindet.
K: Das Gute kann nie verschwinden.
PJ: Ich spreche von diesem großen, erleuchteten Mitgefühl. Jetzt kann ich damit in Kontakt treten.
K: Aber du kannst auch dann damit in Kontakt kommen, wenn diese Person nicht mehr existiert. Das ist der Punkt. Es hat nichts mit einer bestimmten Person zu tun.
PJ: Hat deine Aussage, man solle sich selbst ein Licht sein, damit zu tun, dass man mit ›dem‹ ohne die Person Kontakt aufnehmen muss? Wenn du sagst, dass ›es‹ ohne die Person kontaktiert werden kann …
K: Nicht ›kontaktiert‹. Es kann wahrgenommen, es kann gelebt werden; es ist da, und du kannst danach greifen und es halten. Du kannst die Hand ausstrecken und es empfangen. Das Denken oder das Bewusstsein, wie wir es kennen, muss ein Ende nehmen, denn das Denken ist wirklich der Feind von ›dem‹. Das Denken ist der Feind des Mitgefühls; das ist offensichtlich, nicht wahr? Um dieses innere Feuer zu haben, ist kein großes Opfer nötig, sondern ein Erwachen der Intelligenz, einer Intelligenz, die die Vorgänge des Denkens sieht. Und eben dieses Gewahrsein der Vorgänge des Denkens beendet sie. Das ist wahre Meditation.
PJ: Welche Bedeutung hat dann der Tod?
K: Gar keine. Er hat keine Bedeutung, weil du immer mit dem Tod lebst. Er hat keine Bedeutung, weil du alles jederzeit beendest. Ich glaube nicht, dass wir uns der Schönheit und der Bedeutung des Beendens bewusst sind. Wir sehen die Kontinuität mit ihrer gelegentlichen Schönheit und ihrer ganzen Oberflächlichkeit.
PJ: Ich fahre morgen weg. Trenne ich mich dadurch vollkommen von dir ab?
K: Nein, nicht von mir. Du trennst dich von ›dem‹ ab. Du trennst dich von dieser Ewigkeit mit all ihrem Mitgefühl ab.
Es ist ganz einfach. Ich begegne dem Buddha. Ich höre ihm sehr aufmerksam zu. Er beeindruckt mich zutiefst, und dann geht er weg. Aber die Wahrheit seiner Worte bleibt. Er hat mir mit großer Sorgfalt gesagt: »Sei dir selbst ein Licht, sodass die Wahrheit in dir ist.« Und diese Saat geht in mir auf. Er geht weg, aber die Saat geht auf. Vielleicht sage ich: »Ich vermisse ihn, ich bin traurig darüber, dass ich einen Freund verloren habe oder jemanden, den ich wirklich liebte«, aber das Wesentliche ist, dass die Saat der Wahrheit aufgeht. Diese Saat, die durch meine Wachheit, meine Bewusstheit und mein intensives Zuhören gesät wurde – diese Saat wird aufgehen. Was hätte es sonst für einen Sinn, dass jemand dieses innere Feuer hat? Wenn in X diese außergewöhnliche Erleuchtung ist – ich benutze dieses Wort, um dieses unendliche Mitgefühl, diese Liebe zu beschreiben –, wenn nur diese Person das in sich trägt und dann stirbt – was dann?
PJ: Darf ich noch eine Frage stellen? Was ist dann der Grund für seine Existenz?
K: Was der Grund für seine Existenz ist? Er existiert, um ›das‹ zu manifestieren, um ›das‹ zu verkörpern. Aber warum muss es überhaupt einen Grund geben? Eine Blume existiert ohne Grund. Schönheit hat keinen Grund, sie existiert einfach. Und wenn ich versuche, einen Grund dafür zu finden, gibt es keine Blume. Ich versuche nicht, diese Dinge zu mystifizieren oder zu vernebeln. Wie ich bereits sagte, ist es für jeden da; jeder kann danach greifen und es in sich tragen.
Der Tod, Pupul, ist wie die Geburt ein außergewöhnliches Ereignis. Aber Geburt und Tod liegen so weit auseinander. Die Mühsal der Kontinuität ist das Elend des Menschen. Und wenn die Kontinuität jeden Tag enden kann, lebst du mit dem Tod. Das ist totale Erneuerung, die Erneuerung von etwas, das keine Kontinuität hat. Und deshalb ist es wichtig zu verstehen, was Enden – vollständiges Enden – der Erfahrung bedeutet, beziehungsweise dessen, was erfahren wurde und als Erinnerung im Gedächtnis bleibt.
(Pause)
Können wir, falls noch Zeit ist, die Frage untersuchen, ob ein Mensch, abgesehen vom materiellen Wissen, ohne Zeit und Wissen leben kann?
PJ: Ist das, was wir bisher gesagt haben, das heißt, mit dem Ende zu leben, nicht der eigentliche Kern dieser Frage? Ich meine, wenn der Geist fähig ist, mit dem Ende zu leben, ist er fähig, mit dem Ende der Zeit und des Wissens zu leben.
K: Ja. Aber vielleicht sind das einfach nur eine Menge Worte.
PJ: Nein. Ein Punkt ist ja, dass man nichts daran ändern kann, aber man kann zuhören und beobachten – sonst nichts.
Ich komme hier auf etwas ganz anderes.
K: Fahr bitte fort.
PJ: Glaubst du, dass der Geist lernen kann, dem letztendlichen Tod ins Auge zu blicken?
K: Was gibt es da zu lernen, Pupul? Da gibt es nichts zu lernen.
PJ: Der Geist muss in der Lage sein, die Dinge ohne Erschütterung aufzunehmen.
K: Ja.
PJ: Der Geist muss eine Aussage wie diese ohne Erschütterung aufnehmen können. Dann wird er vielleicht auch unerschütterlich sein, wenn der Tod letztendlich kommt.
K: Ja, das ist richtig. Und deshalb hat der Tod eine außerordentliche Schönheit, eine außergewöhnliche Lebenskraft.
Brockwood Park, 6. Juni 1981