Das Wesen Gottes – Teil 2

Fragesteller (F): Ist dieser Drang, nach einem unbekannten Wesen zu suchen, jedem Menschen angeboren? Anders ausgedrückt, gibt es eine angeborene Sehnsucht nach etwas, das über das hinausgeht, was man beigebracht bekommt oder durch die Erbanlagen mitbringt? Ist es genetisch bedingt?

K: Genetik hat mit Zeit zu tun.

PJ: Mit der Genetik kommt die Grundsubstanz ins Spiel. 

K: Dabei spielen Zeit und der Wachstums-, der Evolutionsprozess eine Rolle. Nicht wahr?

F: Ja, es ist ein biologischer Vorgang.

K: Darauf will ich hinaus. Selbst wenn es angeboren ist – kann man das Selbst von all dem vollkommen frei räumen? Kann man das Selbst von dem, was über Jahrtausende angesammelt wurde, leer machen? Wir wollen das untersuchen.

Kann man sich von dem frei machen, was einem vielleicht schon von frühester Kindheit an eingeimpft wurde? Kann man das Selbst von dem Jahrhunderte alten Glauben entleeren, dass es etwas gibt, das über all das hinaus geht? Ich glaube, das ist der am tiefsten verwurzelte Glaube. Er ist im Unbewussten verankert – wie alle tieferen Dinge. Und ich meine, dass auch dieser Glaube verschwinden muss, wenn wir wirklich frei forschen wollen.

PJ: Kann man bis zur tiefsten Schicht des Unbewussten vordringen? Ist es möglich, dass das Unbewusste sich auflöst, ohne dass es zuvor freigelegt wurde? Wie erfährt man das, was man nicht in Worte fassen kann, was jenseits des menschlichen Wissens liegt? 

K: Ich verstehe. 

PJ: Ich kann mein gesamtes Wissen durchforsten, und trotzdem wird es nicht darin zu finden sein.

K: Nein, aber gewinnst du nicht eine Einsicht – nämlich, dass man alles, was der Mensch sich ausgedacht hat, völlig verneinen muss?

F: Sie fordern uns auf, alles zurückzuweisen und zu verneinen – sogar diese kleinen Einsichten, die uns an den Punkt bringen, wo wir erkennen, dass an dem, was Sie sagen, etwas dran ist. 

K: Pupulji fragt etwas ganz anderes. Sie fragt, ob wir das erforschen können, was wir Gott nennen – den Ursprung, den Anfang aller Dinge.

F: Aber sagen Sie nicht auch, dass wir selbst um damit beginnen zu können, alles beiseite lassen müssen, alle Glaubenssysteme, ja sogar den Boden, auf dem wir stehen? Ich frage mich, ob unsere kleinen Einsichten und Wahrnehmungen nicht damit vermischt sind. 

PJ: Jetzt verstehe ich. Ja, alles, was wir als Einsichten betrachten, muss verschwinden.

F: Aber wie beginnt man dann zu forschen? Sie bestreiten ja sogar die Basis der Wahrnehmung.

PJ: Nein. Aber die Einsicht ist vorbei. Also ist sie schon Teil der Vergangenheit – sie ist genauso Vergangenheit wie alle anderen Erinnerungen. Ich verstehe das Verneinen von allem, was im Gehirn auftaucht. Aber kann man die Schichten des Unbewussten, den Boden, auf dem man steht, verneinen? Vielleicht stellt man die falsche Frage. Vielleicht kann man das nie verneinen. Wie kann man das verneinen? 

K: Einen Augenblick. Der Mensch hat auf verschiedene Weisen versucht, alles zu verneinen. Er hat gefastet, hat sich gegeißelt, aber er blieb immer an irgendetwas gefesselt.

PJ: Ja.

K: Wie die großen christlichen Mystiker; sie waren an Jesus gefesselt, das war ihr Ausgangspunkt.

PJ: Darf ich dir noch eine Frage stellen? Glaubst du, dass wir an dich gefesselt sind? 

K: Vielleicht, aber das ist unwesentlich.

PJ: Das ist nicht unwesentlich.

F: Sind wir nicht an unsere Wahrnehmungen gefesselt?

K: Wenn es so ist, dann lasst sie beiseite; löst die Fesseln…

F: Die meisten Fesseln an Dinge kann man lösen, aber kann man auch aufhören, an die Frage gefesselt zu sein?

K: Oh ja, oh ja.

F: Mit anderen Worten, alle Antworten über Gott, über die Wirklichkeit und all das, sind tief in uns. Das kann man vielleicht verneinen, aber …

K: Ich würde gar nicht fragen: »Was ist Gott?«, denn dann würde mein Gehirn anfangen, viele Worte zu machen.

F: Mir scheint, dass wir die Frage bereits gestellt haben und über die Antworten hinausgegangen sind. Aber die Suche geht weiter.

K: Was meinen Sie mit ›die Suche geht weiter‹? 

F: Ich meine damit, dass die Frage, ob es noch etwas anderes gibt, Teil unseres Wesens zu sein scheint. Mit anderen Worten, das Verlangen, diese Frage zu ergründen, scheint in unserer Natur zu liegen.

K: Wenn mein Forschen ein Bestreben ist, das zu verstehen, was wir Gott nennen, dann ist schon dieses Bestreben eine Fessel. 

F: Wieso?

K: Was meinen Sie mit ›wieso‹? Streben ist ganz offensichtlich eine Bewegung zu etwas hin. Und ein Vorgang, eine Bewegung, enthält Zeit. Warum bringen Sie all das ins Spiel? 

F: Ich versuche dahinter zu kommen, was Sie sagen.

K: Wir wollen keine Worte verwenden, die mit Zeit, mit dem Streben nach etwas Bestimmtem in Zusammenhang stehen. Wenn man nach etwas strebt, wenn man versucht, etwas zu finden, kommt die Zeit ins Spiel – und die muss ein Ende haben.

F: Wie kann Pupul dann diese Frage stellen?

K: Das ist der springende Punkt. Unsere Frage ist deshalb, ob man so etwas überhaupt tun kann: Ist es möglich, dass man vollkommen in und bei der Bewegungslosigkeit bleibt? Andernfalls werden wir für immer in der Bewegung bleiben, die Zeit und Denken ist und alles, was damit zusammen hängt.