Das Wesen Gottes – Teil 3
K: (Fortsetzung) Zunächst einmal: Warum wollen wir überhaupt herausfinden, was Gott ist? Warum wollen wir überhaupt wissen, was all das bedeutet?
PJ: Es gibt einen Teil in uns, der immer noch …
K: Immer noch sucht, fragt, es unbedingt wissen will. Gibt es ihn wirklich?
PJ: Etwas in uns hat das Gefühl, dass es da etwas gibt …
K: Ja, das ist es. Wir sagen nie: »Ich weiß nicht.« Ich glaube, das ist eine unserer Schwierigkeiten. Wir wollen etwas wissen. Wir holen Gott in das Reich des Wissens. Wenn man sagt: »Ich weiß nicht«, ist der Geist absolut regungslos.
PJ: Ist da nicht im Ohr, das hört, im Auge, das sieht, im Wort, das gesprochen wird, all das enthalten, was Gott ist? Ist es nicht notwendig, diese Grundsubstanz auszulöschen?
K: Oh ja.
PJ: Sollte das Ohr nicht dir zuhören?
K: Kannst du die Grundsubstanz auslöschen?
PJ: Ich weiß es nicht.
K: Was heißt das? Was meinst du, wenn du das Wort ›Grundsubstanz‹ benutzt?
PJ: Ich weiß nur, dass jenseits meines geistigen Horizonts, hinter den vordergründigen Vorstellungen und Überzeugungen …
K: Lass das alles weg. Das ist oberflächlich.
PJ: … in mir sind Tiefen und Tiefen und Tiefen. Du hast irgendwann einen sehr wichtigen Satz gesagt: »Spiele mit der Tiefe.« Du weist also auch auf Tiefen hin, die sich unter der Oberfläche befinden. Ist diese Tiefe innerhalb der Grundsubstanz?
K: Nein, nein, das kann nicht sein. Ich frage: Warum will ich herausfinden, ob es etwas gibt, das über all dies hinausgeht?
PJ: Weil ich gegen diese Grundsubstanz überhaupt nichts machen kann, Krishnaji.
K: Ich frage mich, was du mit ›Grundsubstanz‹ meinst?
PJ: Ich meine damit diese Tiefe, die ich nicht an die Oberfläche bringen kann, ins Licht des Bewusstseins, der bewussten Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit. Mit ›Grundsubstanz‹ meine ich das, was nicht in den Wahrnehmungsbereich meiner Augen und Ohren kommt, aber dennoch da ist. Ich weiß, dass es da ist. Das bin ›Ich‹. Selbst wenn ich es nicht sehen und nicht berühren kann, habe ich das Gefühl, dass vielleicht, wenn ich der Wahrheit auf die richtige Weise lausche …
K: Warum benutzt du das Wort ›Tiefe‹? ›Tiefe‹ ist unweigerlich mit dem Messbaren verbunden.
PJ: Ich benutze das Wort ›Tiefe‹, um etwas anzudeuten, das mein Wissen übersteigt. Wenn es innerhalb der Grenzen meines Horizonts ist, wenn es meinen Sinnen zugänglich ist, dann ist es messbar. Aber wenn es mir nicht zugänglich ist, kann ich nichts tun. Ich verfüge nicht über die nötigen Instrumente, um mir Zugang dazu zu verschaffen.
K: Woher weißt du, dass das nicht alles Einbildung ist? Kennst du es aus Erfahrung?
PJ: Ja.
K: Ah! Gib Acht, gib Acht.
PJ: Das ist das Problem: wenn man ›ja‹ sagt, ist es eine Falle, und wenn man ›nein‹ sagt, ist es auch eine Falle.
K: Ich will ganz sicher gehen, Pupul, dass wir beide die Bedeutung des Wortes verstehen. Ich spreche von einem Gefühl.
PJ: Natürlich kann man ein Wort leichtfertig aussprechen und oberflächlich, und man kann es auch mit großer Tiefe aussprechen. Ich sage, dass es dieses Fundament gibt, welches die gesamte Geschichte der Menschheit enthält. In dieser Aussage ist Leben, sie hat großes Gewicht und Tiefe. Kannst du diese Tiefe nicht spüren? Kann ich das also nicht erforschen, ohne dass du mich fragst, ob alles nur Einbildung ist? Denn wenn es so ist, dann kann man nichts tun, außer schauen und zuhören. Dann gibt es keine Frage, die man sich stellen kann.
K: Ich verstehe, Pupul, aber diese Tiefe – ist es die Tiefe der Stille? Stille bedeutet, dass der Geist, der Verstand, absolut still ist; das ist nichts, was kommt und geht.
PJ: Wie kann ich das beantworten?
K: Ich glaube, man kann das, wenn da keine Bindung besteht, wenn das Gedächtnis aus dem Spiel bleibt. Fangen wir noch einmal von vorne an.
Die ganze Welt glaubt an Gott. In Sri Lanka waren meine Zuhörer ganz aufgebracht, als ich sagte, dass das Wort ›Gott‹ eine Erfindung des Denkens ist. Erinnerst du dich daran? Leider weiß ich nicht, wer oder was Gott ist. Fangen wir damit an. Ich weiß wirklich nicht, was Gott ist. Wahrscheinlich werde ich es nie herausfinden, und ich bin auch gar nicht daran interessiert, es herauszufinden. Was mich wirklich interessiert, ist, ob der Geist, das Gehirn, vollkommen und absolut frei von dem ganzen angesammelten Wissen und allen Erfahrungen sein kann. Denn wenn er nicht frei ist, wird er immer nur innerhalb seines Betätigungsfeldes funktionieren. Dies mag sich ungeheuer weit ausdehnen, aber er wird immer darauf beschränkt sein. Es spielt keine Rolle, wie viel man ansammelt, denn es spielt sich immer noch innerhalb dieses Bereichs ab. Und wenn der Geist von diesem Bereich aus aktiv wird und sagt: »Ich muss es herausfinden«, macht er immer noch mit dieser Betätigung weiter. Ich weiß nicht, ob ich mich klar genug ausdrücke.
Mir geht es um die Frage, ob das Gehirn, der Geist, vollkommen frei vom geringsten Anflug des Wissens sein kann. Für mich ist diese Frage von ungeheurer Bedeutung, denn wenn er davon nicht frei ist, wird er nie über diesen Bereich hinausgehen können. Niemals. Jede über diesen Bereich hinausgehende Betätigung des Geistes ist immer noch an Wissen gefesselt. Es ist dann nur eine Suche nach Wissen über Gott. Es geht mir also darum, ob der Geist, ob das Gehirn wirklich vollkommen unbewegt sein kann.