Wo fange ich an? – Teil 4
PJ: Aber was stört die Energie der Sinne? Was kommt ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit in die Quere?
K: Ist es unsere Konditionierung? Ist es unsere Erziehung? Denn wie du weißt, wird uns immer beigebracht, uns zu beherrschen.
PJ: Ja, aber ich denke, dass da ein Ausgangspunkt sein muss, eine Erkenntnis, die für den Grundsatz, dass wir nicht nur sehr vorsichtig mit unserer Energie umgehen müssen, sondern sie auch richtig lenken müssen, verantwortlich war. Das ganze Leben und die ganze Erziehung sind, wie ich meine, ein bloßes Lenken dieser Energie in bestimmte Bahnen, und daher ist das vielleicht ein Ansatz, der in sich falsch ist.
K: Ja.
PJ: Denn es geht doch eigentlich um das Bewahren der Energie. Aber wie bewahrt man Energie? Wie erzeugt man Energie?
K: Willst du Energie bewahren? Oder ist es vielleicht so, dass umso mehr Energie da ist, je mehr man aufwendet?
PJ: Aber man kann Energie auch vergeuden.
K: Genau. Weißt du, für einen Menschen wie K gibt es keine Zerstreuung oder Verlockung.
PJ: Das ist ja das Wunder. Für K gibt es keine geistige Ablenkung; gibt es nichts Belangloses.
F: Und auch kein Verlieren in Gedanken.
K: Das stimmt.
F: Der Satz ›Ich werde meine Energie bewahren‹ ist bereits ein Kanalisieren der Energie.
PJ: Nein. Ich habe das von einem anderen Standpunkt aus gesagt. Wir sehen, dass Energie sich zerstreuen kann. Wie viel Energie ein Mensch auch hat, er zerstreut sie fortwährend. Da muss doch etwas dahinter stecken.
K: Nein, Pupul, schau. Du bist von Kindesbeinen an auf die Vorstellung von Belohnung und Bestrafung konditioniert. Nicht wahr? Deine Mutter sagt: »Wenn du das tust, gebe ich dir was Süßes. Wenn du es nicht tust, werde ich dich bestrafen.« Wenn du dann in die Schule kommst, setzt sich dieser Prozess fort: bessere Zensuren und so weiter – kannst du mir folgen? Unser Gehirn ist auf Belohnung und Bestrafung konditioniert. Nicht wahr? Du verwendest also deine ganze Energie darauf, Bestrafung zu vermeiden und Belohnung zu bekommen. Und eine Belohnung gibt dir einen enormen Energieschub.
PJ: Aber diese Energie ist von anderer Natur.
K: Warte, warte. Ich sage, dass eine Belohnung mir ungeheure Energie gibt, um zu arbeiten, zu arbeiten und zu arbeiten. Und dann kommst du daher und sagst mir, dass dieses Muster aus Belohnung und Bestrafung eine Konditionierung ist, dass es darin keine Freiheit gibt. Der Himmel ist keine Belohnung, Erleuchtung ist keine Belohnung. Aber von klein auf wurde mir beigebracht, mich um Belohnungen zu bemühen. Es findet also ein [innerer] Kampf statt, und ich verschwende meine Energie in diesem Kampf. Ich will Glück, ich will Frieden. Und ich tue alles, um das möglichst schnell zu erreichen.
PJ: Das Leben ist so vielschichtig, dass ich es nie werde erklären können, so sehr ich es auch versuche. Aber du hast uns einen Schlüssel gegeben. Der Schlüssel ist dieses uneingeschränkte Tätigsein der Sinne. Können wir uns damit beschäftigen und es genauer untersuchen?
K: Ja, tun wir das. (Fragt lachend) Tun wir das nicht schon?
PJ: Weil das alles auslöscht und es nichts zu tun gibt.
K: Sind Sehen und Hören voneinander getrennt oder sind sie eins? Verstehst du meine Frage? Wenn du etwas wahrnimmst – beispielsweise diese Frage –, sind dann Sehen und Hören der Frage getrennt voneinander, und denkt man dazu noch darüber nach? Denn in dem Moment, in dem man darüber nachdenkt, hört man der Frage nicht zu. Kann man also sehen, das heißt wahrnehmen, und gleichzeitig hören? – Nicht als zwei getrennte Prozesse. Vergangenes Jahr sprach ich mit einem Wissenschaftler – einem Biologen, der sich mit der Natur beschäftigt. Er fragte mich: »Können Sie den Klang eines Baumes hören? Nicht, wenn er sich im Wind bewegt, sondern wenn er absolut still dasteht, beispielsweise am frühen Morgen oder abends bei Sonnenuntergang? Haben Sie schon einmal einen Baum gehört, wenn es absolut windstill war? Ein Baum sendet einen ganz eigenen Ton aus.« Und ich erwiderte: »Ja, ein Baum sendet einen ganz eigenen Ton aus.«
Kannst du diesen Ton gleichzeitig hören und sehen? Oder trennst du das? Kannst du mir folgen?
PJ: Ich kann dir folgen.
K: Klang ist an sich ein erstaunliches Phänomen aber ich möchte da jetzt nicht tiefer einsteigen.
Es geht darum, ob du etwas sehen kannst, ohne dass dabei eine Abtrennung stattfindet. Das ist meine ganze Frage. Sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken – ohne jegliche Abtrennung. Es ist, als wäre man völlig darin versunken.
F: Sie haben oft gesagt, dass Meditation ein sechster oder siebter Sinn ist und dass man eine Menge verpasst, wenn man den nicht hat. Was genau ist für Sie der wesentliche Punkt bei der Meditation?
K: Der wesentliche Punkt bei der Meditation ist, dass man sich nie dessen bewusst ist, dass man meditiert. Verstehen Sie? Wenn Sie versuchen, zu meditieren – wenn sie eine bestimmte Sitzhaltung einnehmen, sich ruhig zurücklehnen, atmen und was es da sonst noch für Tricks gibt – dann ist es das Gleiche wie alles andere, was Sie machen. Sie wollen bloß etwas erreichen. Und Meditation ist nichts, was man erreichen kann. Wenn Sie nach einem bestimmten System, einer bestimmten Methode meditieren, soll damit etwas erreicht werden. Und zum Schluss – nachdem Sie sich nach Kräften bemüht haben – sagen Sie: »Ah, endlich habe ich Frieden gefunden!« (Lacht) Das ist so als würden Sie sagen: »Endlich habe ich eine Million Dollar auf dem Konto.« Im Geschäftsleben machen Sie alles Mögliche, um zu Geld zu kommen, aber Sie können nichts tun, um das hier zu bekommen. Für K ist Meditation etwas, was man nicht bewusst erreichen kann.
PJ: Unterscheidet sich das vom Zustand des Sehens und Hörens?
K: Dieser Zustand an sich ist Meditation.