Gibt es eine Zeit der Bewegungslosigkeit? – Teil 3

PJ: Bevor ich mich damit näher befassen kann, möchte ich wissen, was dieses ›umgestalten in der Gegenwart‹ bedeutet.

K: Was diese Umgestaltung in der Gegenwart ist? Das ist ganz einfach.

PJ: Was ist der eigentliche Augenblick des …?

K: Denkens? Ich habe Angst vor der Vergangenheit und begegne der Gegenwart. Das Denken modifiziert sich und macht weiter, aber es ist immer noch ›Angst‹.

PJ: Aber können wir den Augenblick untersuchen, in welchem diese Umgestaltung stattfindet? 

K: Ja. Ich habe Angst vor dem, was morgen geschehen könnte, aber morgen ist sowohl im Heute als auch im Gestern enthalten. Einen Augenblick. Wir sollten uns das ganz klar machen. Die Gegenwart, das ›Jetzt‹, ist die Vergangenheit und die Zukunft. Die Gegenwart enthält beides.

PJ: Aber ein Wahrnehmen in der Gegenwart hebt sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft auf.

K: Das sage ich doch. Wahrnehmen setzt einen Zustand ohne Vergangenheit voraus. Wahrnehmen ist zeitlos. Das ist es.

Ich nehme wahr. Ich bin voller Vorurteile, voller Wissen, Schlussfolgerungen, Überzeugungen, Glaubensvorstellungen, und damit schaue ich auf die Gegenwart. Und diese Gegenwart wird durch eine Herausforderung verändert – ich ändere vielleicht einige meiner Überzeugungen, aber ich bleibe immer noch im selben Bereich [des Denkens]. Die Gegenwart wird umgestaltet, und so ist die Zukunft die Folge der Umgestaltung.

PJ: Ja, aber das ist ein Zustand, in dem der Zeitpunkt des Wahrnehmens …

K: Da gibt es keinen Zeitpunkt des Wahrnehmens. 

PJ: Wenn du von einer Zeit sprichst, die weder Vergangenheit noch Zukunft angehört, dann ist das offensichtlich das entscheidende Element beim Wahrnehmen des ›Jetzt‹.

K: Ja, und dieses Wahrnehmen ist unabhängig von Zeit. Denn dieses Wahrnehmen enthält keine Vergangenheit.

PJ: Was ist das ›Jetzt‹?

K: Das ›Jetzt‹ ist die Vergangenheit und die Gegenwart.

PJ: Ist es das wirklich?

K: Ja, das ist das ›Jetzt‹.

PJ: Das möchte ich in Frage stellen.

K: Das ›Jetzt‹ ist jegliche Zeit: vergangene Zeit, zukünftige Zeit und gegenwärtige Zeit.

PJ: Man kann vergangene Zeit erfahren und man kann zukünftige Zeit erfahren, weil man sie sich vorstellt, aber was bedeutet es, ›die ganze Zeit‹ zu erfahren?

K: Du kannst das nicht erfahren.

PJ: Genau darauf will ich hinaus – die Vergangenheit kannst du erfahren …

K: Du kannst dir die Zukunft vorstellen und sie erfahren, ohne sie [wirklich] zu erleben. 

PJ: Ja; aber diese Erfahrung der ›ganzen Zeit‹ ist keine Erfahrung.

K: Nein; ich sage folgendes: Zur Erfahrung gehört derjenige, der erfährt. Der Erfahrende entsteht aus der Zeit.

PJ: Was genau bedeutet es also, wenn du sagst, dass das ›Jetzt‹ die Vergangenheit und die Zukunft enthält? Wie kommst du damit in Kontakt? Was ich sagen will ist, dass wir alle möglichen Worte benutzen können, um das zu beschreiben.

K: Ich habe verstanden.

PJ: Aber findet je ein wirklicher Kontakt damit statt?

K: Aha. (verneint) Du benutzt das Wort ›Kontakt‹ im Sinne von Kontakt aufnehmen – mit mir oder mit dir

PJ: Nein, das tue ich nicht. Ich sage, dass es nicht von mir oder ohne mich kontaktiert werden kann. 

K: Nein, nein, nein.

PJ: Schau dir das doch bitte an. Du sagst, dass sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart im ›Jetzt‹ enthalten sind. Und ich frage: Was ist dieses ›Jetzt‹?

K: Ich werde dir sagen, was das ›Jetzt‹ ist.

SP: Kann ich etwas sagen?

K: Natürlich, jeder kann etwas sagen.

SP: Pupul, ›was ist‹ ist die Gegenwart. Lass es mich so ausdrücken: Angst ist das, ›was ist‹. Sie ist das ›Jetzt‹. Doch da sie das ist, ›was ist‹, ist die ganze Fülle in diesem ›was ist‹ enthalten.

PJ: Aber was ist dieses ›was ist‹?

K: Pupul fragt: Wie kann man sehen oder behaupten, dass die Vergangenheit in der Gegenwart enthalten ist? Erfährt man das tatsächlich, sieht man es wirklich, oder ist es eine Theorie?

SP: Ich denke …

K: Hör dir zuerst die Frage an.

SP: Ich verstehe sie.

K: Warte, gib Acht; sag nicht einfach, »Ich verstehe«. Prüfe das ein bisschen genauer. Pupul fragt: Was macht dich so sicher, dass die Vergangenheit in der Gegenwart enthalten ist? Ist das eine Vorstellung, ist es eine Theorie, oder siehst du wirklich die ganze Bedeutung und Tragweite dieser Sache? Hast du einen Einblick in diese Sache?

SP: Normalerweise haben wir keinen Einblick.

K: Deshalb ist deine Aussage theoretisch.

PJ: Krishnaji fragt, ob es eine Zeit gibt, die nicht die lineare Zeit der Außenwelt oder die innere Zeit des Werdens ist. Er stellt die Frage: »Gibt es eine Zeit, die unabhängig von diesen beiden Zeiten ist?«

K: Das ist alles.

PJ: Die einzige Form der Wahrnehmung – zumindest für mich –, in der sich dies offenbaren kann, oder in der ein Einblick darin möglich ist, ist in der Gegenwart. Aber wie komme ich zu diesem ›Jetzt‹ des Daseins?

K: Du kannst nicht dahin kommen.

PJ: Ja. Du kannst nicht dahin kommen – und dann?

K: Du kannst es nicht erfahren; du kannst es dir nicht vorstellen.

PJ: Ja.