Biologisches Überleben und Intelligenz – Teil 5
K: Und dann fragt sie: Wer ist dieses ›Ich‹? Ist dieses ›Ich‹ Teil des Bewusstseins, Teil des Denkens? Ich sage ja. Denken ist Teil des ›Ichs‹, außer dort, wo Denken mit rein technischen Fragen beschäftigt ist, wo es kein ›Ich‹ gibt. In dem Moment, in dem man sich aus dem wissenschaftlichen Bereich entfernt, kommt man zum ›Ich‹, das Teil des biologischen Erbes ist.
MF: Das ›Ich‹ ist das Zentrum der Wahrnehmung; es ist ein Funktionszentrum der Wahrnehmung, ein Ad-Hoc-Zentrum und das ›Andere‹ ist ein wirkliches Zentrum.
K: Drücken Sie sich einfach aus. Wir erkennen, dass das Bewusstsein das ›Ich‹ ist; dieser ganze Bereich ist das ›Ich‹. Das ›Ich‹ ist das Zentrum des Bereiches.
PJ: Ich will all das beiseite lassen und auf eine ganz neue Weise an die Sache herangehen. Ich sehe, dass das wichtigste Element in mir das ›Ich‹ ist. Aber was ist das ›Ich‹? Was ist seine Natur? Man untersucht das, und in diesem Prozess des Beobachtens entsteht Klarheit.
K: Punkt.
PJ: Klarheit, die nicht ewig währt …
K: Aber man kann wieder zu ihr finden.
PJ: Ich sage, vielleicht.
K: Weil ich die Vorstellung habe, dass Wahrnehmen etwas Ganzes, Ungebrochenes ist.
PJ: Kann die Frage, ob Klarheit ewig währt, in diesem Zustand überhaupt auftauchen?
K: Sie taucht nicht im Zustand des Wahrnehmens auf. Sie taucht nur auf oder existiert nur, wenn ich frage: Währt dieser Vorgang ewig?
PJ: Und was würdest du sagen?
K: Du bist gefragt. Antworte. Du musst diese Frage beantworten. Im Augenblick des Wahrnehmens taucht die Frage nicht auf. Im nächsten Augenblick nehme ich nicht so klar wahr.
PJ: Wenn ich achtsam bin und sehe, dass ich nicht so klar wahrnehme, werde ich das untersuchen.
K: Was tue ich also? Da ist Wahrnehmen. Das ist alles.
PJ: Das ist die Schlüsselfrage.
K: Lass uns in dieser Sache einfach bleiben. Da ist Wahrnehmen. In diesem Wahrnehmen ist keine Rede von Dauer. Da ist nur Wahrnehmen. Im nächsten Augenblick sehe ich nicht klar, die Wahrnehmung ist nicht klar und deutlich, sondern konfus. Dann untersucht man die Konfusion und damit stellt sich Klarheit ein. Konfusion und wieder Wahrnehmen, Verdecken und Aufdecken – so läuft es ab. So geht es immer weiter. Nicht wahr?
MF: Hat es mit Zeit zu tun?
PJ: Es passiert etwas sehr Interessantes. Es liegt in der Natur dieser Bewusstheit, dass sie auf das Andere einwirkt.
K: Was meinst du mit ›das Andere‹?
PJ: Unaufmerksamkeit.
K: Warte. Da ist Aufmerksamkeit, auf die Unaufmerksamkeit folgt. Dann sei dir der Unaufmerksamkeit bewusst, die dadurch wieder zur Aufmerksamkeit wird. Dieses Hin-und-her-Schwanken geht ständig weiter.
PJ: Ich stelle jetzt eine Behauptung auf: Bewusstheit verringert Unaufmerksamkeit. Für mich stimmt das nicht. Das Einzige, was ich beobachten kann ist, dass die Aufmerksamkeit auf die Unaufmerksamkeit einwirkt.
K: Löscht dieses Einwirken auf die Unaufmerksamkeit die Unaufmerksamkeit aus, so dass sie nicht wieder kommt?
PYD: Es achtet auf die Unachtsamkeit.
PJ: Ich gehe über dieses Achten auf die Unachtsamkeit hinaus. Ich sage, dass Aufmerksamkeit so beschaffen ist, dass sie auf die Gehirnzellen einwirkt. Das sage ich sehr zögernd. Es ist das Wesen der Aufmerksamkeit, auf die Gehirnzellen einzuwirken. Das, was in den Gehirnzellen schlummert, taucht wieder auf, wenn es der Aufmerksamkeit ausgesetzt ist, und der Ruhezustand verändert sich. Ich hätte gerne, dass wir diesen Bereich untersuchen.
K: Fangen wir noch einmal an. Wenn diese Bewusstheit mit Auswählen verbunden ist, sind wir wieder im Bewusstsein. Bewusstheit ist ohne Worte, es hat keinerlei Beziehung zum Denken. Wir nennen diese Bewusstheit Aufmerksamkeit. Wenn Unaufmerksamkeit da ist, ist Unaufmerksamkeit da. Warum bringst du die beiden durcheinander? Ich bin unaufmerksam. Dann ist da keine Aufmerksamkeit. Das ist alles.
Während dieser Phase der Unaufmerksamkeit geschehen bestimmte Dinge. Und was da geschieht führt zu weiterem Elend, weiterer Verwirrung, weiteren Schwierigkeiten. Also sage ich mir: Ich muss die ganze Zeit über aufmerksam sein, um diese Störungen zu verhindern. Und ich sage: Ich muss mich darin üben, aufmerksam zu sein. Doch gerade dieses Bemühen wird zu Unaufmerksamkeit. Das Sehen dieser Unaufmerksamkeit bringt Aufmerksamkeit mit sich.
Aufmerksamkeit wirkt sich auf die Gehirnzellen aus. Schau, was geschehen ist. Da ist Aufmerksamkeit und dann Unaufmerksamkeit. Unaufmerksamkeit enthält Verwirrung, Leid und all das Übrige. Was geschieht nun?
PYD: Das Vertreiben der Unaufmerksamkeit ist ins Unbewusste abgesunken.
PJ: Ist es eigentlich nicht so, dass man nichts dagegen tun kann?
K: Ich stimme dir zu, Pupul, aber warte einen Augenblick. Sag nicht einfach, dass man nichts tun kann. Wir werden es herausfinden. Wir untersuchen es. Es gibt Aufmerksamkeit, und es gibt Unaufmerksamkeit. Im Zustand der Unaufmerksamkeit herrscht nur Verwirrung. Warum will ich die beiden zusammenbringen? Wenn der Drang da ist, die beiden zusammenzubringen, ist das eine Äußerung des Willens, ein Auswählen: Ich ziehe die Aufmerksamkeit der Unaufmerksamkeit vor. Und somit befinde ich mich wieder im Bereich des Bewusstseins. Durch welches Vorgehen werden also die beiden nie in Verbindung gebracht? Das möchte ich ein wenig genauer untersuchen.
Wenn Aufmerksamkeit da ist, ist Denken in Form des Erinnerns nicht aktiv. In der Aufmerksamkeit gibt es keine Regung des Denkens, es gibt nur Aufmerksamkeit. Ich bin mir nur dann bewusst, dass ich unaufmerksam war, wenn diese Unaufmerksamkeit Unbehagen, Elend oder Gefahr mit sich bringt. Dann sage ich mir: Ich war unaufmerksam. Und da die Unaufmerksamkeit eine Spur im Gehirn hinterlassen hat, bin ich mit dem Elend beschäftigt, das die Unaufmerksamkeit verursacht hat. Wenn ich dann dieses Elend untersuche, stellt sich die Aufmerksamkeit wieder ein und hinterlässt keine Spur. Was passiert also? Jedes Mal, wenn Unaufmerksamkeit da ist, wird sie schnell und unmittelbar wahrgenommen. Wahrnehmen ist etwas Unmittelbares. Es hat keine Dauer. Es stammt nicht aus der Zeit. Wahrnehmen und Aufmerksamkeit hinterlassen keine Spuren: Die Unmittelbarkeit des Wahrnehmens ist allgegenwärtig.
Bombay, 18. Februar 1971