Der Geist und das Herz – Teil 2

MF: Ist da nicht ein Auswahlmechanismus am Werk, der sich etwas herausgreift und es ›Denken‹, ›Herz‹, ›Geist‹ und so weiter nennt? Ist das nicht der Koordinator? 

K: Der Koordinator, Auswählende, Integrierende, Sortierende – nenne es, wie du willst. All diese geistigen Regungen sind gegeneinander gerichtet. 

MF: Warum sagen Sie, dass sie gegeneinander gerichtet sind? Etwa, weil jeder eine unabhängige geistige Regung ist?

PYD: So wie wir leben, scheinen sie gegeneinander gerichtet zu sein. 

MF: Aber jede bewegt sich eigenständig. 

PJ: Wie Friedmann sagt: Wenn zu irgendeinem Zeitpunkt eine da ist, sind die anderen nicht da. 

MF: Dann kann es keinen Widerspruch geben.

K: Wenn eine da ist, sind die anderen nicht da. Aber der Koordinator wägt ab: Ich will dies, und das andere will ich nicht. 

MF: Das ist der Lauf des Lebens.

PJ: Unsere Diskussion begann mit der Frage, ob es so etwas wie eine Regung des Herzens gibt. Bisher haben wir die Regungen des Geistes erforscht.

S. Balasundaram (SB): Ist die Regung des Herzens ein Vorgang, der nährend wirkt? Wirkt diese Regung bewahrend? Und ist sie nicht notwendig, damit die Regungen des Geistes nicht kalt und geistig unfruchtbar bleiben? 

PYD: Wir bewegen uns überhaupt nicht im Bereich der Gegensätzlichkeit.

K: Wenn das eine da ist und das andere nicht, existiert keine Gegensätzlichkeit. Gegensätzlichkeit tritt dann auf, wenn der Koordinator sagt: Ich hätte lieber dieses und nicht jenes. Damit beginnt der Widerstreit, beginnt Gegensätzlichkeit durch Auswählen. 

Achyut Patwardhan (AP): Wenn ich voller Hass bin, kann ich keine zwei Schritte darüber hinaus machen. Also ist die Frage: Unterscheiden sich die Regungen des Herzens von denen des Geistes? Oder haben sie eine eigene Beschaffenheit?

K: Das ist es, was Pupul sagt. Es gibt die Regungen des Geistes – die intellektuelle, technologische Betätigung. Es gibt die Regungen des Herzens. Und dann gibt es noch die Regung der Gewalttätigkeit. Es gibt viele verschiedene Regungen in uns, und der Koordinator wählt eine oder zwei davon aus, um sich am Leben zu erhalten.  Wie lautet von dem ausgehend die nächste Frage?

PJ: Existieren diese Regungen parallel nebeneinander? Letzten Endes ist da entweder die eine oder die andere.

K: Ich bin nicht sicher.

PJ: Werden die Gefühle im Grunde durch Vorgänge im Gehirn ausgelöst? 

AP: Auch wenn man vielleicht nicht persönlich von Hass oder Wut erfüllt ist, stelle ich doch fest, dass es bei mir bestimmte Gefühle auslöst, wenn ich etwas über Bengalen lese. Das sind gesellschaftlich bedingte Reaktionen. Ich mache dabei nicht das Geringste. Im Gegensatz dazu ist es eine innere Bereicherung, wenn man Liebe und Zuneigung verspürt. Das ist eine Nahrung, die der Verstand uns nicht geben kann. 

PYD: Wir waren uns bereits einig, dass Denken das Wahrnehmungsvermögen des Gehirns ist.

K: Wir sollten zunächst die Bedeutung der Wörter klären. Die Reaktion auf verschiedene Reize ist das, was wir Gefühl nennen. Ist Wahrnehmen ein Gefühl?

Wie lautet nun die nächste Frage? Existieren die beiden Gemütsbewegungen mit ihren Unterteilungen parallel nebeneinander?

PJ: Eine parallele Bewegung bedeutet getrennte Bewegung, das heißt, sie berühren sich nie. 

K: Oder sind sie in Wirklichkeit eine einzige Bewegung, die wir nicht kennen?

PJ: Nehmen wir beispielsweise das Verlangen – welcher Kategorie würdest du es zuordnen – dem Denken oder den Gefühlen?

SB: Verlangen kommt aus dem Herzen.

PJ: Nach einer Weile wird Verlangen zu Denken. Wo ordnest du es also zu?

AP: Es taucht nur als Denken auf.

MF: Das Entstehen des Verlangens als unmittelbare Gefühlsreaktion des Herzens ist nicht vom Denken getrennt: Wenn man wütend ist, schlägt das Herz schneller. Das ist alles ein einziger Vorgang.

K: Verlangen, Hass, Liebe sind Regungen, die Gedanken und Gefühle enthalten. Du fragst, ob sie nebeneinander existieren und daher voneinander getrennt sind. Ich persönlich sage nicht, dass sie es sind oder dass sie es nicht sind.

PJ: Ich glaube, dass man die Frage so gar nicht stellen sollte. Die eigentliche Frage lautet: Falls es sich um zwei getrennte Gemütsbewegungen handelt, ist es dann möglich, dass sie je zusammen kommen? Oder ist gerade die Tatsache, dass wir sie von einander getrennt halten, die eigentliche Ursache unseres Unglücks? 

MF: Das Denken ist es, das Muster erkennt; das, was ohne Muster wahrnimmt, ist das Gefühl.

PJ: Wenn du so eine Aussage machst, dann ist es für uns entweder tatsächlich so und damit hat die Dualität in uns aufgehört, oder es ist eine Theorie.

K: Es ist eine Theorie. Schlussfolgerungen und Rezepte sind bedeutungslos. Ich sage: Ich weiß es nicht. Ich kenne nur diese beiden Gemütsbewegungen – die intellektuelle oder rationale Regung und das Gefühl der Freundlichkeit und Sanftmütigkeit. Das ist alles. Sind das zwei getrennte innere Regungen? Oder ergeben sich unser gegenwärtiges Unglück und unsere gegenwärtige Verwirrung daraus, dass wir sie als zwei getrennte innere Regungen behandelt haben? Weißt du, Pupul, wir haben Körper und Seele voneinander getrennt. Sowohl im Osten als auch im Westen neigen die Religionen dazu, die Dinge zu unterteilen. Dabei ist es in Wirklichkeit ein einziges psychosomatisches Geschehen, das sich die Seele ausdenkt. Und deshalb stellt sich die Frage: Gibt es da zwei verschiedene innere Regungen oder haben wir uns nur an den Gedanken gewöhnt, dass die beiden – Körper und Seele – etwas Getrenntes sind. 

PJ: Aber wie kannst du die Tatsache unbeachtet lassen, dass intensive Gefühle eine neue Daseinserfahrung mit sich bringen – was ein anderer Mensch fühlt, wird uneingeschränkte erlebt – ein Gefühl des Verstehens ohne Worte. 

K: Bitte bring das jetzt noch nicht ins Spiel. Wir fragen: Sind diese beiden inneren Regungen voneinander getrennt? Oder ist die Macht der Gewohnheit so stark, dass wir sie als unterschiedliche Regungen akzeptiert haben? Und wenn sie nicht getrennt sind, welcher Art ist diese eine einheitliche geistige Regung, die sowohl das Denken als die Aktivität des Gehirns und auch die Regungen des Herzens einschließt?