Kann sich das Gehirn von seiner eigenen Begrenzung befreien? – Teil 5
K: Das ist ungeheuer bedeutsam. Und solange Wissen unsere Lebensgrundlage ist, wird unser Gehirn durch gewohnheitsmäßige Abläufe, durch den Computer und so weiter zerstört. Unser Geist ist also Wissen. Und zu sagen, dass er sich selbst vom Wissen befreien muss, ist völlig unmöglich. Erkenne das. Es gibt nichts als den Geist, der Wissen ist.
Ich werde dir etwas sagen. Schau, du hast dich [vorhin] selbst blockiert. Sag nicht, dass etwas unmöglich ist. Wenn du gesagt hättest, es sei unmöglich, hättest du keine Computer erfinden können. Geh von da aus weiter. Was der Geist auch tut – selbst wenn er sagt, er muss frei sein –, er wird sich immer im Bereich des Wissens bewegen. In welchem Zustand befindet sich also der Geist, der sich absolut bewusst ist oder der weiß oder erkennt, dass er aus nichts als Wissen besteht?
Ich bin weiter gegangen. Siehst du es nicht? Was ist jetzt passiert? Wissen ist offensichtlich Bewegung. Wissen wurde durch geistige Bewegung erworben. Also ist Wissen Bewegung. Zeit und alles, was damit zusammenhängt, ist Bewegung.
AC: Du sprichst von dem Zustand des Geistes, in welchem die Zeit zum Stillstand kommt.
K: Das ist Freiheit. Zeit ist Bewegung. Und was bedeutet das? Das ist sehr interessant. Ich will es zusammenfassen. Der Geist hat den Computer erfunden. Ich benutze das Wort ›Computer‹ stellvertretend für alle neuen Technologien – Genetik, Klonen, Chemikalien und so weiter. All diese Dinge entspringen dem Wissen, das der Mensch sich angeeignet hat. Aber sie sind immer noch das Bekannte, das Produkt des Bekannten mit seinen Hypothesen, Theorien und Gegenargumenten. Der Mensch macht also genau dasselbe wie die Maschine. Es gibt also keinen Unterschied zwischen den beiden. Der Geist ist Wissen. Was er auch tut, hat seinen Ursprung im Wissen – seine Götter, seine Tempel entstammen dem Wissen. Wissen ist eine Bewegung. Kann die Bewegung aufhören?
Das ist wahre Freiheit. Es bedeutet, dass Wahrnehmen frei von Wissen ist und das Handeln nicht auf Wahrnehmungen und Wissen beruht. Unsere Wahrnehmung einer Schlange beruht auf jahrhundertelanger Konditionierung durch das Wissen über die Schlange. Wenn ich mich als Hindu wahrnehme, mit allem, was in diesem Namen seit dreitausend Jahren vor sich geht, so ist das derselbe Vorgang. Wir leben die ganze Zeit über in diesem Bereich. Das ist zerstörerisch, nicht die Maschine, der Computer. Und wenn diese Maschinerie des Geistes nicht zum Stillstand kommt – nicht der Computer –, werden wir uns selbst zerstören.
Gibt es also ein Wahrnehmen, das seinen Ursprung nicht im Wissen hat? Denn wenn diese Bewegung aufhört, findet zwangsläufig [unmittelbares] Handeln statt.
AC: Mit anderen Worten, es bedeutet, in der Welt tätig zu sein, aber es bleibt nichts haften, es bleiben keine Spuren zurück. Nichts schlägt Wurzeln.
K: Und was bedeutet das? Ein Wahrnehmen, das nicht auf Wissen beruht. Ist ein solches Wahrnehmen möglich? Natürlich, es gibt ein Wahrnehmen, das mit dem Computer nicht möglich ist. Entspringt dieses Untersuchen dem angeborenen Drang nach Vergnügen? Wir untersuchen das alle.
PJ: Ich weiß nicht, ob es um Vergnügen oder um etwas anderes geht.
AC: Es spielt keine Rolle, ob der Computer dazu in der Lage ist oder nicht. Es kommt darauf an, dass wir es tun.
PJ: Was zu der Einstellung führt, dass es etwas zu erforschen gibt.
K: Seht ihr, wie tief verwurzelt das ist!
AC: Die Frage ist doch: Wie funktioniert der Geist, wie ist der Geist aufgebaut, der mit Wahrnehmen, mit Einsicht arbeitet und der absolut nichts ansammelt?
K: Aber schau, was wir getan haben – wie lange hat es gedauert, an diesen Punkt zu kommen, zum Wahrnehmen ohne Aufzeichnung! Und warum? Weil wir innerhalb der Grenzen der Zeit funktionieren.
AC: Was du sagst bedeutet doch mit anderen Worten, dass man diesen ganzen Prozess nicht durchmachen muss. Wenn wir bis zu diesem Punkt gekommen sind und nicht handeln, ist das sehr gefährlich, viel gefährlicher, als darüber kein Gespräch zu führen.
K: Das sage ich doch. Es ist eine ungeheure Gefahr. Bist du an einen Punkt gekommen, wo du erkennst, was der Geist entwickelt hat? Die Maschine – ich meine den Computer, Drogen, chemische Präparate, Klonen – all diese Dinge? Und erkennst du auch, das all das dasselbe ist wie unser Geist? Unser Geist ist genauso mechanisch wie all das. Und wir bewegen uns immer innerhalb dieser Grenzen. Deshalb zerstören wir uns selbst. Es ist nicht die Maschine, die uns zerstört.
PJ: Und am Ende kann man nur sagen tapas, tapas, tapas. Es bedeutet, dass wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben.
K: Ich weiß nicht, ob du nicht ein bisschen hinterher hinkst. Ein bekannter Pianist sagte einmal: »Wenn du übst, übst du immer das Falsche.«
PJ: Es ist keine Frage des Übens.
K: Pupulji, da sitzen die ganzen Lehrer. Was werden sie tun? Eine Bombe hierher werfen? Verstehst du, was ich meine? Wir hantieren mit einer Bombe, und sie kann jeden Augenblick hochgehen. Ich weiß nicht, ob dir das klar ist. Es ist eine ungeheure Gefahr.
AC: Es ist noch viel gefährlicher.
K: Es ist wirklich erschreckend. Ich frage mich, ob ihr das seht. Was werdet ihr tun? Das ist wahre Revolution.
AC: Und zwar nicht nur für Lehrer und Schüler.
K: Natürlich, natürlich.
AC: Ich wollte dich fragen: Wird der Geist, der dir bis zu einem bestimmten Punkt gefolgt ist, der Geist, der an diesen Punkt kommt, viel empfindlicher gegenüber dem Bösen?
K: Ich weiß, was du meinst. Darüber werden wir heute nicht mehr sprechen. Es geht also darum, die Bewegung zum Stillstand zu bringen, die Bewegung zu beenden, und nicht darum, das Wissen zu beenden. Das ist der eigentliche Punkt.
Rishi Valley, 4. Dezember 1980