Intelligenz, Computer und der mechanische Geist – Teil 5
RS: (Fortsetzung) Folgenden Annahmen stimme ich nicht zu: Zum einen, dass das Gehirn ein geschlossenes System aus Schaltkreisen ist, und zum anderen, dass es ausschließlich mechanisch, chemisch oder elektrisch funktioniert. Ich glaube also, dass wir einerseits eine Theorie über das Leben haben, die besagt, dass lebendige Organismen nichts anderes als Maschinen sind, und andererseits eine Theorie, die besagt, dass sie nichts mit Maschinen zu tun haben. Warum können wir sie nicht als Maschinen nachbauen? Die zuerst genannte Theorie ist der Ausgangspunkt Ihrer Argumentation, die auf den ersten Blick recht vernünftig erscheint. Aber sie beruht auf einer Reihe von Annahmen.
PJ: Es gibt drei wichtige Fragen: Ist das Gehirn in seiner heutigen Ausprägung ein geschlossenes System aus Schaltkreisen? Was ist Intelligenz? Was ist Kreativität?
AC: Ich habe nicht behauptet, dass das Gehirn ein geschlossenes System aus Schaltkreisen ist.
K: Darf ich dich etwas fragen? Würdest du sagen, dass das Gehirn unbegrenzte Leistungsfähigkeit besitzt? Sag nicht sofort ›nein‹. Lass uns das Wort ›Leistungsfähigkeit‹ benutzen. Ich mag es eigentlich nicht, denn wir verbinden damit durch Bildung erworbenes Wissen und Ähnliches. Aber wenn ich das Wort hier einmal benutzen darf, würde ich sagen, dass das Gehirn über eine unbegrenzte Leistungsfähigkeit verfügt. Schau, was es in der Welt der Technik alles erschaffen hat, einschließlich des Computers.
AC: Du kannst nicht einerseits behaupten, dass Denken begrenzt ist, und andererseits sagen, dass das Gehirn über eine unbegrenzte Leistungsfähigkeit verfügt.
K: Ja, darauf komme ich noch zu sprechen. Denken hat das Gehirn eingeschränkt, konditioniert. Würdest du dem zustimmen? Ich bin Hindu, ich hege alle möglichen abergläubischen Vorstellungen und so weiter. Nicht wahr?
AC: Du unterscheidest zwischen Denken und Gehirn.
K: Nein, nein. Ich will herausfinden, ob das Gehirn jemals frei von seinen eigenen Begrenzungen sein kann – vom Denken, vom Wissen, von den Emotionen. Gut, nenne es Denken. Wenn das Gehirn irgendwie von diesen Konditionierungen befreit werden kann, muss es über unbegrenzte Leistungsfähigkeit verfügen.
AC: Das kannst du nicht sagen.
K: Es könnte. Verstehst du jetzt? Wir Menschen sind auf dem Mond gelandet, das Gehirn hat Cruise Missiles entwickelt, es hat eine außerordentliche Entwicklung der Technik vollbracht. Einverstanden? Verfügen wir aber auch über ein Instrument jenseits des Denkens? Das ist keine romantische Spekulation. Ich frage nur. Ich sage nicht, es ist so oder es ist nicht so. Verstehst du meine Frage? Denken ist ein abgenutztes Instrument. Ich glaube, es hat seine Grenzen erreicht, es ist am Ende, denn es hat die Probleme der Menschheit nicht gelöst. Gibt es also eine Art des Schauens, die nichts mit Denken zu tun hat und die sich, anstatt nach außen zu gehen – in den Weltraum – nach innen wenden kann? Diese nach innen gerichtete Bewegung ist das Unbegrenzte.
RR: Aber damit sind die Probleme der Menschheit immer noch nicht gelöst.
K: Nein, Denken wird die Probleme der Menschheit nicht lösen. Im Gegenteil, es vergrößert die Probleme. Nicht wahr?
Fragesteller (F): Ihre Frage lautet: Gibt es außer dem Denken noch etwas anderes, das als Instrument dienen könnte?
K: Ja, obwohl Sie dem, was ich jetzt sage, vielleicht nicht zustimmen werden. Ja, und vielleicht ist dieses Instrument in der Lage, innen und außen zu schauen, und vielleicht ist es unbegrenzt.
F: Die Psychologen versuchen, die Innenwelt zu ergründen. Zumindest geben sie das vor.
K: Ich weiß, aber alles, was sie sagen, ist so mechanisch.
F: Ja, dem stimme ich zu.
K: Stimmen Sie nicht zu. Ich zögere selbst, dem, was ich sage, zuzustimmen. Zunächst einmal möchte ich mir völlig darüber im Klaren sein, dass Denken die Probleme der Menschheit nicht gelöst hat. Es hat technische Probleme gelöst, aber keine menschlichen Probleme – meine Beziehung zu meiner Frau, meine Beziehung zur Gemeinschaft, meine Beziehung zum Himmel und zu all den anderen Dingen. Denken versucht, diese Probleme zu lösen, und hat das Ganze nur schlimmer gemacht. Das ist so klar erkennbar. Deshalb frage ich jetzt: Gibt es etwas, das kein Denken, etwas, das nicht mechanisch ist?
AC: Du fragst mit anderen Worten, was Pupul neulich schon fragte: Gibt es eine Sinneswahrnehmung ohne Denken?
K: Ja. Wirst du dem jetzt Beachtung schenken? Das Leben ist eine Bewegung, die hinausgeht und hereinkommt, wie Ebbe und Flut. Ich erschaffe die Welt, und die Welt kontrolliert mich dann. Und ich reagiere auf die Welt. Es ist Bewegung. Würdest du dem zustimmen? Wenn du nun dasselbe siehst wie ich – was du nicht musst – dann wirst du feststellen, dass es eine Bewegung hinaus und herein ist. Das ist unser Leben – Aktion und Reaktion, Belohnung und Bestrafung. Kann diese Bewegung aufhören?
PJ: Du musst aus dem geschlossenen System der Schaltkreise deines Computers herauskommen, um dich dieser Frage auch nur zuwenden zu können.
K: Nein, nicht aus den Schaltkreisen herauskommen. Das ist unser Leben. Solange diese Vorgänge stattfinden, bin ich in der Zeit gefangen, die Entwicklung ist.
RS: Warum sagen wir nicht einfach, es ist das Leben, es ist Evolution?
K: Ja, und das heißt: Ich entwickle mich. Diese Bewegung führt mal zum Besseren, mal zum Schlechteren, aber es bleibt immer eine Bewegung. Solange also diese Bewegung stattfindet, bin ich ein Automat.
F: Nur ein Automat?
K: Ja. Ich sehe eine Frau, und ich will sie haben. Ich sehe einen schönen Garten, und ich will ihn haben. Es ist Aktion und Reaktion, Belohnung und Bestrafung, Bestrafung und Belohnung. Was hat das mit Intelligenz zu tun? Solange man darin gefangen ist, ist Ihre Intelligenz ausgeschaltet, es ist eine mechanische Intelligenz. Du hasst mich, und ich hasse dich deshalb auch.
AC: Das verstehe ich.