Textverzeichnis

  • Rede 1, Mittwoch, 5. September 1956
    • Frage 1: Wir sind voll von Erinnerungen an den letzten Krieg mit all seinen Schrecken. Können wir unseren Sinn je von der Vergangenheit befreien und neu anfangen?
    • Frage 2: Wir haben genug vom Kriege. Wir wollen Frieden. Wie können wir einen neuen Krieg verhüten?
  • Rede 2, Donnerstag, 6. September 1956
    • Frage 1: Gestern haben Sie gesagt, Autorität sei vom Übel. Warum?
    • Frage 2: Warum legen Sie so viel Nachdruck auf Selbsterkenntnis? Wir wissen sehr gut, was wir sind.
    • Frage 3: Sie sagen, wahre Religion bestehe weder aus Glauben noch aus Dogma oder Zeremonien. Was ist dann wahre Religion?
  • Rede 3, Sonntag, 9. September 1956
    • Frage 1: Verbrechen unter der Jugend verbreiten sich überall. Was können wir dagegen tun?
    • Frage 2: Wenn wir uns ändern und friedlich werden, aber andere Menschen streitlustig und brutal bleiben, fordern wir sie dann nicht zum Angriff auf uns heraus?
    • Frage 3: Sie haben gesagt, unser Sinn müsse ruhig sein; er ist aber Tag und Nacht beschäftigt. Wie kann ich das ändern?
  • Rede 4, Freitag, 14. September 1956
    • Frage 1: Sind Yoga-Übungen in irgendeiner Weise dienlich für den Menschen?
    • Frage 2: Sind Experimente mit Drogen hilfreich, wenn man den Zustand, von dem Sie sprechen, herbeiführen will?
    • Frage 3: Ist unser Leben vorausbestimmt oder ist man frei in der Wahl seines Lebensweges?
    • Frage 4: Kann das Bewusstmachen unerwünschter Eigenschaften uns von ihnen befreien?
  • Rede 5, Samstag, 15. September 1956
    • Frage 1: Warum können wir bei unserer Arbeit nicht glücklich sein?
    • Frage 2: Sie verwerfen Disziplin und äußere Ordnung und raten uns, nur unserem inneren Antrieb gemäß zu handeln. Muss das nicht besonders die heutige Jugend, die nur ihrem Vergnügen nachgeht, dazu ermutigen, ihren Impulsen zu folgen?
    • Frage 3: Was geschieht nach dem Tode? Und glauben Sie an Reinkarnation?
  • Rede 6, Sonntag, 16. September 1956
    • Frage 1: Sie sprechen so oft gegen die Kirche und organisierte Religion. Haben diese nicht viel Gutes in der Welt getan?
    • Frage 2: Kann Selbsterkenntnis dem Leiden ein Ende bereiten, das offenbar die Ursache für die Wiedergeburt der Seele ist?
    • Frage 3: Ist es möglich, das Denken der Menschheit mit Meditation und angemessenen Gedanken zu beeinflussen?

Die Reden in Hamburg 1956

Krishnamurti kam im September 1956 auf Einladung eines Hamburger Kaufmanns nach Deutschland. Es war nach dem Krieg das einizge Mal, dass er hier öffentlich zu den Menschen sprach. Interessant ist der folgende Artikel im Hamburger Abendblatt über die erste der insgesamt sechs Reden.

Hamburger Abendblatt vom 6. September 1956, Seite 11:

Krishnamurtis erster Hamburger Vortrag:

Nichts wird sich in der Welt ändern, ändert sich nicht der Mensch!

Am Ende seiner Reden pflegt der Inder Jiddu Krishnamurti Fragen zu beantworten, die ihm von seinen Hörern im voraus vorgelegt worden sind. So auch gestern bei seinem ersten Vortrag in der (nicht ganz gefüllten) großen Musikhalle.

Eine der Fragen hieß: Wie können wir einen neuen Krieg verhindern? (Es ist das Nächstliegende, was die Deutschen bedrängt.)

Krishnamurti antwortete darauf, dass sich nichts ändern werde, wenn der Mensch sich nicht ändere, sondern darauf beharre, in erster Linie Deutscher oder Inder oder Russe oder Christ oder Mohammedaner zu bleiben, statt in erster Linie Mensch zu sein. Er müsse sich bewusst machen, wie sehr er an diese Vorstellungen seiner Überlieferung gebunden sei und sich über sie erheben, um jeden anderen Menschen wie auch sich selbst als Menschen erleben zu können.

Zu diesen Belastungen durch die Überlieferung zähle auch das soziale Erfolgsstreben, der Ehrgeiz, der Egoismus des Menschen. Wenn er immer noch mehr werden und haben wolle – das sei ja bereits »Krieg«, und er werde den Krieg nicht überwinden, solange er sich in diesen Punkten nicht ändere. Die äußeren Zustände in der Welt seien ja nur der Ausdruck dessen, was in den Menschen innerlich vorgehe. Durch Gesetze der Staaten sei der Frieden nicht zu bekommen, sondern nur durch die Menschen selbst.

Das sind einleuchtende Gedanken. Sie werden den Nachdenklichen nicht gar so neu erscheinen, und die Christen werden sich erinnern, dass ihre Lehre sie ganz ähnlich seit 2000 Jahren verkündet. Freilich ist es etwas anderes, sie von einem indischen Philosophen und Lehrer statt von dem Pfarrer auf der Kanzel vertreten zu sehen.

Von einem Manne überdies, der jede Lehre, jede Dogmatik, jede Tradition, jede Bindung an Kirche oder Religionsgemeinschaft strikt ablehnt und die Menschen auffordert, nicht in der Vergangenheit zu leben, sondern den Ballast jeglicher (auch der persönlichen) Überlieferung, der Ideen und der Erinnerungen abzuwerfen, unbefangen in der Gegenwart zu leben und sich selbst zu erkennen: Wer sich der Autorität eines anderen unterstellt, kann wohl erfahren, was andere denken, aber er wird nicht erfahren, was er selbst denkt.

Das Leben – so gibt Krishnamurti zu bedenken – ist in ständiger Bewegung; wir sollten daher versuchen, dieses Leben zu verstehen und nicht die Ideen, die wir uns selbst oder die andere sich über das Leben machen. Wir müssen die Wirklichkeit erkennen, und solche Erkenntnis kann niemand anders für uns gewinnen, sondern nur wir selbst. Wir müssen ursprünglich werden, damit die Wirklichkeit in unser Leben kommt. (Der zweite Vortrag Krishnamurtis findet heute statt; weitere vier Vorträge folgen am 9., 14., 15. und 16. September.)

Quellenangabe

  • Englische Ausgaben
    • Ausgabe 1: Erstveröffentlichung
      Talks by Krishnamurti in Europe 1956
      Talks in Stockholm, Brussels, Hamburg and Athens
      Krishnamurti Writings Inc., 1960 
    • Ausgabe 2: In Sammelwerk (17 Bände, 1933–67)
      The Collected Works of J. Krishnamurti
      Volume X – 1956–1957
      Krishnamurti Foundation of America, 1991
  • Deutsche Ausgaben
    • Ausgabe 1: Erstveröffentlichung
      Religiöse Revolution6 Vorträge in Hamburg 1956
      Humata Verlag 1956
    • Ausgabe 2: In Sammelband
      Religiöse ErneuerungGespräche in Hamburg und Saanen
      Humata Verlag (19??)
    • Übersetzung: Dr. Annie Vigeveno