Die Flamme des Lernens

Die Gespräche in diesem Buch, die Krishnamurti mit Schülern seiner Schulen in Indien geführt hat, fanden wahrscheinlich Ende der fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre statt. Sie enthalten viele Fragen der Schüler, die fast alle Lebensbereiche umfassen. Die Antworten Krishnamurtis sind abgestimmt auf den noch nicht so verfestigten Geist seiner jungen Zuhörer. Viele Leser finden deshalb, dass diese Gespräche einfacher zu verstehen seien als andere Texte von ihm.

Das ausführliche Vorwort hat Krishnamurti selbst geschrieben. Er beschreibt darin eingehend die eigentliche Aufgabe von Erziehung und Bildung sowie die der Lehrer und Erzieher. Gleich zu Beginn schildert er sein Anliegen folgendermaßen:

Mir scheint, dass in unserer Welt der zunehmenden Krisen und Probleme eine völlig neue Moral und ein Handeln, das einem umfassenden Verständnis des Lebens entspringt, zu einer dringenden Notwendigkeit geworden sind. Wir versuchen, diese Probleme durch politische und organisatorische Maßnahmen, durch wirtschaftliche und verschiedene andere Reformen in den Griff zu bekommen, aber keine dieser Maßnahmen wird je die komplexen Schwierigkeiten der menschlichen Existenz lösen, auch wenn sie vielleicht vorübergehend Linderung verschaffen. Alle Reformen, wie umfassend oder scheinbar von Dauer sie auch sein mögen, führen selbst wieder zu weiterer Verwirrung und machen weitere Reformen erforderlich. Ohne das komplexe Wesen des Menschen zu verstehen, bringen bloße Reformen nur die verwirrende Nachfrage nach weiteren Reformen mit sich. Es nimmt kein Ende mit den Reformen, aber auf diesem Weg gibt es keine grundlegende Lösung.

Auch politische, ökonomische oder gesellschaftliche Revolutionen sind nicht die richtige Antwort, denn sie haben schreckliche Formen der Gewaltherrschaft hervorgebracht oder die Macht und Autorität einfach in die Hände einer anderen Gruppe gelegt. Solche Revolutionen können niemals ein Ausweg aus unserer Verwirrung und unseren Konflikten sein.

Aber es gibt eine Revolution, die völlig anders ist und die stattfinden muss, wenn wir uns aus der endlosen Kette von Ängsten, Konflikten und Frustrationen lösen wollen. Diese Revolution kann aber nicht von Theorien und idealen Vorstellungen ausgehen – die sich letztendlich alle als nutzlos erweisen –, sondern nur von einer radikalen Umwandlung des menschlichen Geistes. Eine solche Umwandlung ist allein durch die richtige Art von Erziehung und Bildung und die vollständige Entfaltung des Menschen möglich. Diese Revolution muss im gesamten menschlichen Geist stattfinden und nicht nur auf der Ebene des Denkens. Was gedacht wird, ist schließlich nur eine Auswirkung und nicht der Ursprung. Es ist also eine radikale Umwandlung des Ursprungs erforderlich und nicht eine bloße Abänderung der Auswirkung. Gegenwärtig doktern wir an Auswirkungen, an Symptomen herum. Wir bewirken keine entscheidende Veränderung, reißen nicht die alten Denkmuster mit der Wurzel aus und befreien den Geist nicht von Traditionen und Gewohnheiten. Diese entscheidende Veränderung ist unser Anliegen, und sie kann allein durch die richtige Erziehung zustande kommen.

Vorwort, Teil 1