Autorität zerstört Intelligenz – Teil 1

Wir haben über Angst gesprochen und darüber, wie man sie los werden kann; und wir haben gesehen, dass Angst den Geist verdirbt, so dass er weder frei noch kreativ ist und deshalb nicht über die ungeheuer wichtige Fähigkeit verfügt, neue Wege einzuschlagen.

Ich denke, wir sollten uns auch mit der Frage der Autorität beschäftigen. Ihr wisst, was Autorität ist, aber wisst ihr auch, wie Autorität entsteht? Die Regierung besitzt Autorität, nicht wahr? Es gibt die Autorität des Staates, des Gesetzes, des Polizisten, des Soldaten. Eure Eltern und eure Lehrer üben eine gewisse Autorität über euch aus, sie bringen euch dazu zu tun, was ihr ihrer Meinung nach tun solltet – zu einer bestimmten Zeit ins Bett gehen, das Richtige essen, mit den richtigen Leuten zusammen sein. Sie disziplinieren euch, nicht wahr? Warum? Sie sagen, es sei zu eurem Besten. Ist es so? Wir werden uns das noch genauer anschauen. Aber zuerst müssen wir verstehen, wie Autorität entsteht – Autorität als Druck, als Zwang, als die Macht eines Menschen über einen anderen, die Macht der Wenigen über die Vielen oder der Vielen über die Wenigen.

Hast du, weil du zufällig mein Vater oder meine Mutter bist, das Recht, über mich zu verfügen? Welches Recht hat irgendjemand, einen anderen wie Dreck zu behandeln? Wie entsteht eurer Meinung nach Autorität?

Zunächst ist da offensichtlich in jedem von uns der Wunsch, in Bezug auf unser Verhalten Sicherheit zu haben. Wir wollen, dass man uns sagt, was wir tun sollen. Wir sind verwirrt oder besorgt und wissen nicht, was wir tun sollen, also gehen wir auf unserer Suche nach einem Ausweg aus der Verwirrung zu einem Priester, einem Lehrer, einem Elternteil oder irgendjemand anderem. Weil wir glauben, er wüsste es besser als wir, gehen wir zum Guru oder irgendeinem gebildeten Menschen und fragen ihn, was wir tun sollen. Autorität entsteht also durch unseren Wunsch, die richtige Lebensweise, das richtige Verhalten zu finden, nicht wahr?

Nehmen wir beispielsweise an, ich gehe zu einem Guru. Ich suche ihn auf, weil ich glaube, dass er ein großartiger Mensch ist, einer, der die Wahrheit kennt, der Gott kennt und der mir deshalb helfen kann, inneren Frieden zu finden. Ich selbst habe keine Ahnung von all diesen Dingen, also gehe ich zu ihm, verneige mich, bringe ihm Blumen mit, zeige ihm meine Ergebenheit. Ich will getröstet werden, will, dass man mir sagt, was ich tun soll, also erschaffe ich mir eine Autorität. Diese Autorität existiert nicht wirklich außerhalb von mir.

Wenn ihr noch sehr jung seid, weist euch der Lehrer vielleicht darauf hin, dass ihr wenig wisst, aber wenn er nur ein bisschen Intelligenz besitzt, wird er euch helfen, eure eigene Intelligenz zu entwickeln. Er wird euch helfen, eure Verwirrung zu verstehen, damit ihr nicht mehr nach Autorität verlangt, weder nach seiner noch nach der eines anderen.

Es gibt die äußere Autorität des Staates, des Gesetzes, der Polizei. Wir erschaffen diese äußeren Autoritäten, weil wir Dinge besitzen, die wir schützen wollen. Diese Besitztümer gehören uns und wir wollen nicht, dass sie jemand anders bekommt, also schaffen wir eine Regierung, die unseren Besitz schützt. Die Regierung wird also unsere Autorität, sie ist unsere Erfindung, um uns zu schützen, um unseren Lebensstil, unser Denksystem zu schützen. Im Laufe der Jahrhunderte errichten wir allmählich ein System des Gesetzes, der Autorität – den Staat, die Regierung, die Polizei, die Armee – um »mich« und »mein« zu schützen.

Es gibt auch die Autorität des Ideals, die nicht äußerlich, sondern innerlich ist. Wenn wir sagen: »Ich muss gut sein, ich darf nicht neidisch sein, ich muss mich allen Menschen gegenüber brüderlich verhalten«, erschaffen wir in unseren Köpfen die Autorität des Ideals, nicht wahr? Nehmen wir an, ich bin intrigant, dumm, grausam, ich will alles für mich selbst, ich will Macht. Das ist die Realität, das ist, was ich wirklich bin. Aber ich denke, ich muss mich brüderlich verhalten, weil religiöse Leute es gesagt haben und weil es außerdem bequem und nützlich ist, das zu sagen. Deshalb erschaffe ich Brüderlichkeit als Ideal. Ich bin nicht brüderlich, aber ich will es aus verschiedenen Gründen sein, und so wird das Ideal zu meiner Autorität.

Und dann diszipliniere ich mich, um diesem Ideal zu entsprechen. Ich bin sehr neidisch auf dich, weil du einen eleganteren Mantel, ein schöneres Kleid oder mehr Titel hast, und deshalb sage ich: »Ich darf diese Neidgefühle nicht haben, ich muss brüderlich sein.« Das Ideal ist zu meiner Autorität geworden, und ich versuche, nach diesem Ideal zu leben. Was geschieht nun? Mein Leben wird zu einem ständigen Kampf zwischen dem, was ich bin, und dem, was ich sein sollte. Ich diszipliniere mich, und der Staat diszipliniert mich auch. Ob es ein kommunistischer, kapitalistischer oder sozialistischer Staat ist: Der Staat hat bestimmte Vorstellungen darüber, wie ich mich verhalten sollte. Es gibt Menschen, die sagen, der Staat geht über alles. Wenn ich in einem solchen Staat lebe und etwas tue, das der offiziellen Ideologie widerspricht, werde ich vom Staat unter Druck gesetzt – das heißt von den wenigen Leuten, die den Staat kontrollieren.