Kann der Geist jemals Frieden finden? – Teil 1

Wir haben die verschiedenen Faktoren untersucht, die sich zerstörerisch auf unser Leben, unser Handeln und Denken auswirken, und wir haben gesehen, dass innere Konflikte eine der Hauptursachen für diese Verkümmerung des Menschen sind. Und ist nicht sogar das, was im Allgemeinen unter Frieden verstanden wird, ein destruktiver Faktor? Kann der menschliche Geist Frieden schaffen? Führt ein durch den menschlichen Geist geschaffener Frieden nicht auch zu Verderben und Verfall? Wenn wir nicht sehr wach und aufmerksam sind, wird das Wort »Frieden« zu einem sehr kleinen Fenster, durch das wir auf die Welt schauen und sie zu verstehen versuchen. Durch ein kleines Fenster sehen wir nur ein Stück vom Himmel und nehmen nicht seine Weite, seine Schönheit wahr. Es ist nicht möglich, Frieden zu finden, indem man einfach nach Frieden strebt, denn das ist unweigerlich ein mentaler Prozess.

Vielleicht ist das nicht so leicht zu verstehen, aber ich will versuchen, mich so einfach und klar wie möglich auszudrücken. Wenn wir verstehen können, was es bedeutet, friedvoll zu sein, dann werden wir vielleicht auch verstehen, was Liebe in Wahrheit bedeutet.

Wir meinen, Frieden sei etwas, das wir mit Hilfe des Verstandes, mit Hilfe der Vernunft erreichen könnten, aber ist das wirklich so? Kann innerer Frieden jemals durch die Kontrolle oder Beherrschung des Denkens zustande kommen? Jeder von uns wünscht sich inneren Frieden, und für die meisten bedeutet das, in Ruhe gelassen zu werden, nicht gestört oder belästigt zu werden. Also errichten wir eine Mauer um uns herum, eine Mauer aus Meinungen und Vorstellungen.

Es ist sehr wichtig, dass ihr das versteht, denn wenn ihr älter werdet, werdet ihr mit den Problemen von Krieg und Frieden konfrontiert. Ist Frieden etwas, das man verfolgen, einfangen und mit dem Verstand zähmen kann? Das, was die meisten von uns als Frieden bezeichnen, ist ein Prozess der Stagnation, ein langsamer Verfallsprozess. Wir glauben, wir könnten Frieden finden, indem wir uns an bestimmte Vorstellungen oder Überzeugungen klammern und innerlich eine Sicherheitsmauer aus Gewohnheiten und Glaubenssätzen errichten; wir meinen, innerer Frieden sei durch das Festhalten an bestimmten Prinzipien, Neigungen, Vorlieben oder Wünschen zu erreichen. Wir wollen störungsfrei leben, also suchen wir uns ein Eckchen im Universum oder in unserem eigenen Innern, in das wir hineinkriechen, und dann leben wir im Dunkel der selbst gewählten Abgeschlossenheit. Das ist es, wonach die meisten von uns in den Beziehungen zu ihren Ehepartnern, Eltern und Freunden suchen. Unbewusst wollen wir Ruhe und Frieden um jeden Preis und so versuchen wir, dies zu erreichen.

Aber kann der Geist jemals Frieden finden? Ist er nicht selbst ein Störfaktor? Der menschliche Geist kann nur sammeln, anhäufen, verleugnen, sich behaupten, Gedächtnisinhalte abrufen, Ziele verfolgen. Frieden ist absolut notwendig, denn ohne Frieden können wir nicht kreativ leben. Aber ist Frieden etwas, das wir durch die Kämpfe, Verleugnungen und Opfer des Geistes verwirklichen können? Versteht ihr, was ich meine?

Vielleicht sind wir unzufrieden, wenn wir jung sind, aber wenn wir älter werden, mündet diese Unzufriedenheit, wenn wir nicht sehr weise und wach sind, in eine Art friedliche Resignation dem Leben gegenüber. Der Geist sucht immer Zuflucht in einer Gewohnheit, einem Glaubenssystem, einem Verlangen, er sucht etwas, worin er sich einrichten und mit der Welt in Frieden leben kann. Aber der menschliche Geist kann keinen Frieden finden, weil er nur in Zeitbegriffen denken kann, weil er nur im Sinne von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft denken kann: was er war, was er ist und sein wird. Er ist ununterbrochen damit beschäftigt, seine Eitelkeiten, Gewohnheiten und Glaubenssätze zu verurteilen, zu werten, zu vergleichen; und ein solcher Geist kann niemals friedvoll sein. Er kann sich einen Zustand vorgaukeln, den er als Frieden bezeichnet, aber das ist kein Frieden. Der menschliche Geist kann sich selbst hypnotisieren, indem er bestimmte Worte und Sätze wiederholt, einem anderen Menschen folgt oder Wissen ansammelt; aber er ist nicht friedvoll, denn er selbst ist die Quelle der Irritation, er selbst ist Zeit. Der Geist, mit dem wir denken, rechnen, vergleichen und Dinge erfinden, kann also niemals Frieden finden.

Frieden ist nicht das Ergebnis der Vernunft, und doch versuchen die organisierten Religionen, wie ihr sehen könnt, wenn ihr sie beobachtet, Frieden mit Hilfe des Geistes zu schaffen. Wahrer Frieden ist so kreativ und rein wie Krieg zerstörerisch ist, und um diesen Frieden zu finden, muss man Schönheit verstehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir in jungen Jahren von Schönheit umgeben sind – von der Schönheit wohlgestalteter Gebäude, der Schönheit von Klarheit und Reinheit, der Schönheit ruhiger Gespräche unter Erwachsenen. Wenn wir wissen, was Schönheit ist, werden wir die Liebe erkennen, denn das Verstehen von Schönheit ist der Frieden im Herzen.

Frieden kommt aus dem Herzen, nicht aus dem Verstand. Um zu wissen, was Frieden ist, müsst ihr herausfinden, was Schönheit ist. Die Art, wie ihr sprecht, die Wörter, die ihr gebraucht, eure Gesten – diese Dinge sind sehr wichtig, denn durch sie entdeckt ihr eure eigene Feinheit. Schönheit entzieht sich jeder Definition, man kann sie nicht mit Worten erklären. Man kann sie nur verstehen, wenn der Geist sehr still ist.

Solange ihr also jung und empfänglich seid, ist es ganz wichtig, dass ihr – genau wie die Menschen, die für euch verantwortlich sind – um euch herum eine schöne Atmosphäre schafft. Wie ihr euch anzieht, wie ihr geht, wie ihr sitzt, wie ihr esst – all das und die Dinge, von denen ihr umgeben seid, sind sehr wichtig. Wenn ihr älter werdet, werdet ihr den hässlichen Dingen des Lebens begegnen – hässlichen Gebäuden, hässlichen Menschen mit ihrer Bosheit, ihrem Neid, ihrem Ehrgeiz, ihrer Grausamkeit, und wenn dann nicht die Wahrnehmung der Schönheit in eurem Herzen verankert ist, könnt ihr leicht vom reißenden Strom der Welt weggeschwemmt werden. Dann verliert ihr euch im unaufhörlichen Kampf, über das Denken Frieden zu finden. Der Verstand projiziert eine Vorstellung von Frieden und versucht, sie zu verwirklichen, und dabei verfängt er sich im Netz von Begriffen, Vorlieben und Illusionen.

Frieden kann sich nur einstellen, wenn Liebe da ist. Wenn dein Frieden allein auf finanzieller oder anderweitiger Sicherheit, auf bestimmten Dogmen, Ritualen oder dem Wiederholen bestimmter Wörter beruht, ist weder Kreativität vorhanden noch der innere Drang, eine grundlegende Änderung in der Welt herbeizuführen. Ein solcher Frieden führt nur zu Selbstgefälligkeit und Resignation. Aber wenn du verstehst, was Liebe und was Schönheit ist, wirst du einen schöpferischen Frieden finden, der die Verwirrung beendet und eine innere Ordnung in dir herstellt. Aber dieser Frieden kann nicht durch das Bemühen, ihn zu finden, erreicht werden. Er stellt sich ein, wenn du unablässig beobachtest, achtsam bist, wenn du sowohl für das Hässliche als auch das Schöne, für das Gute und das Schlechte und alle Wendungen des Lebens sensibel bist. Frieden ist nichts Belangloses, vom Verstand Geschaffenes, sondern etwas ungeheuer Großes, unendlich Weites, etwas, das man nur verstehen kann, wenn das Herz überfließt.