Gibt es so etwas wie Sicherheit? – Teil 1

Vielleicht können wir das Problem der Angst noch aus einer anderen Perspektive betrachten. Angst macht mit den meisten von uns erstaunliche Dinge. Sie erzeugt alle möglichen Illusionen und Probleme. Solange wir ihr nicht wirklich auf den Grund gehen und sie verstehen, wird sie unser Handeln immer verfälschen. Angst verdreht unser Denken, und unsere ganze Lebensweise wird unaufrichtig. Sie errichtet Barrieren zwischen Menschen und zerstört unweigerlich Liebe. Je mehr wir der Angst also auf den Grund gehen, je mehr wir sie verstehen und wirklich frei von ihr sind, desto intensiver wird unser Kontakt mit allem, was uns umgibt. Gegenwärtig sind unsere lebendigen Kontakte mit dem Leben ziemlich rar, nicht wahr? Aber wenn wir uns von der Angst befreien können, werden wir viele Kontakte, tiefes Verständnis, echte Sympathie und liebevollen Respekt haben, und unser Horizont wird sich unglaublich erweitern. Schauen wir also, ob wir die Angst noch von einem anderen Standpunkt aus beleuchten können.

Ich frage mich, ob ihr schon einmal bemerkt habt, dass die meisten von uns nach irgendeiner Art psychischer Sicherheit verlangen. Wir wollen Sicherheit, jemanden, an den wir uns anlehnen können. Wie ein kleines Kind, das nach der Hand der Mutter greift, wollen wir etwas haben, an dem wir uns festhalten können; wir wollen, dass uns jemand liebt. Ohne ein Gefühl der Sicherheit, ohne einen mentalen Schutzmechanismus fühlen wir uns verloren, nicht wahr? Wir sind daran gewöhnt, uns an andere anzulehnen, andere zu brauchen, die uns leiten und uns helfen sollen. Ohne diese Unterstützung sind wir verwirrt, haben Angst, wissen nicht, was wir denken und tun sollen. In dem Moment, in dem wir auf uns selbst gestellt sind, fühlen wir uns einsam, unsicher, ungeschützt. Und das erzeugt Angst, nicht wahr?

Wir verlangen also nach etwas, das uns ein Gefühl der Sicherheit gibt, und wir haben viele verschiedene Schutzmechanismen – innere und äußere. Wenn wir die Fenster und Türen unseres Hauses schließen und im Innern bleiben, fühlen wir uns sehr sicher und unbelästigt. Aber das Leben ist nicht so. Es klopft ständig an unsere Tür, versucht, unsere Fenster aufzustoßen, damit wir mehr sehen, und wenn wir vor lauter Angst die Türen und Fenster verriegeln, wird nur das Klopfen lauter. Je mehr wir uns an die Sicherheit klammern – in welcher Form auch immer –, desto hartnäckiger kommt das Leben auf uns zu und macht uns Druck. Je mehr Angst wir haben und uns abschotten, desto mehr müssen wir leiden, weil das Leben uns nicht in Ruhe lässt. Wir wollen sicher sein, aber das Leben sagt, dass das nicht möglich ist, und damit beginnt unser Kampf. Wir suchen Sicherheit in der Gesellschaft, in der Tradition, in unserer Beziehung zu unserem Vater und unserer Mutter, unserer Frau und unserem Mann, aber immer wieder durchbricht das Leben unsere Sicherheitsmauern.

Wir suchen auch Sicherheit oder Trost in Vorstellungen, nicht wahr? Habt ihr einmal beobachtet, wie Vorstellungen entstehen und wie sich der Geist daran klammert? Man hat eine Vorstellung von etwas Schönem, das man auf einem Spaziergang gesehen hat, und der Geist kehrt zu dieser Vorstellung, dieser Erinnerung zurück. Man liest ein Buch und bekommt eine Vorstellung, an der man festhält. Ihr müsst also sehen, wie Vorstellungen entstehen und wie sie zu einem Instrument des Trostes, der inneren Sicherheit werden, etwas, an das sich der Geist klammert.

Habt ihr je in dieser Weise über Vorstellungen nachgedacht? Wenn ihr eine Vorstellung habt und ich eine Vorstellung habe und wenn jeder von uns denkt, dass seine eigene Vorstellung besser sei als die des anderen, fangen wir an zu kämpfen, nicht wahr? Ich versuche, dich zu überzeugen, und du versuchst, mich zu überzeugen. Die ganze Welt basiert auf Vorstellungen und dem Konflikt zwischen ihnen, und wenn ihr der Sache auf den Grund geht, werdet ihr feststellen, dass das bloße Festhalten an einer Vorstellung völlig sinnlos ist. Aber habt ihr schon einmal bemerkt, wie hartnäckig euer Vater, eure Mutter, eure Lehrer, eure Tanten und Onkel an dem festhalten, was sie denken?

Wie entsteht also eine Vorstellung? Wie bekommt ihr eine Idee? Wenn ihr beispielsweise die Idee habt, einen Spaziergang zu machen – wie entsteht diese Idee? Es ist sehr interessant, das herauszufinden. Wenn ihr genau beobachtet, werdet ihr sehen, wie eine solche Idee oder Vorstellung aufkommt und wie euer Geist daran festhält und alles andere beiseite schiebt. Die Idee, einen Spaziergang zu machen, ist eine Reaktion auf eine Empfindung, nicht wahr? Ihr habt schon einmal einen Spaziergang gemacht, und das hat ein angenehmes Gefühl oder eine angenehme Empfindung hinterlassen. Ihr wollt es wieder tun, also wird die Idee erzeugt und dann in die Tat umgesetzt. Wenn ihr ein schönes Auto seht, wird eine Empfindung ausgelöst, nicht wahr? Die Empfindung wird einfach durch den Anblick des Autos wachgerufen. Und aus der Empfindung wird die Idee geboren: »Ich will dieses Auto haben, es ist mein Auto“, und dann beherrscht euch diese Vorstellung ganz.

Wir suchen äußerlich Sicherheit in materiellem Besitz und in Beziehungen zu anderen Menschen, aber auch innerlich in Ideen und Glaubenssystemen. Ich glaube an Gott, an Rituale, ich glaube, dass ich auf eine bestimme Art und Weise verheiratet sein sollte, ich glaube an Reinkarnation, an ein Leben nach dem Tod und so weiter. Alle diese Glaubensinhalte werden durch meine Wünsche und Vorurteile geschaffen, und ich halte an ihnen fest. Ich habe äußere Sicherheiten, sozusagen über der Haut, und ich habe innere Sicherheiten. Nimmst du sie mir weg oder stellst du sie in Frage, bekomme ich Angst. Ich werde dich wegstoßen, ich werde dich bekämpfen, wenn du meine Sicherheit bedrohst.

Aber gibt es überhaupt so etwas wie Sicherheit? Versteht ihr? Wir haben gewisse Vorstellungen von Sicherheit. Vielleicht fühlen wir uns bei unseren Eltern sicher oder in einem bestimmten Job. Unsere Art zu denken, unser Lebensstil, unsere Art, die Dinge zu betrachten – vielleicht sind wir mit all dem zufrieden. Die meisten von uns sind ganz zufrieden damit, von sicheren Vorstellungen umzingelt zu sein. Aber können wir je sicher sein, können wir je in Sicherheit sein, wie viele äußere oder innere Schutzvorrichtungen wir uns auch geschaffen haben?