Brockwood 1983, Fragen & Antworten 2, Frage 4
K (liest eine Frage vor): Während man das versteht, was Sie sagen und anders leben will, wie soll man da das Problem des Lebensunterhaltes in dieser Welt der Arbeitslosigkeit und der eingeschränkten Möglichkeiten angehen?
Sorgen Sie für andere Regierungen! D.h. Regierungen, die nicht auf eine bestimmte Gruppe beschränkt sind – französische Regierung, englische Regierung – jede nur mit den eigenen begrenzten Interessen beschäftigt. Was hindert uns daran, dass wir alle als eine menschliche Gruppe zusammenarbeiten? Wir sind in Nationalitäten, Religionen, Traditionen auf gespalten und wir halten daran fest. Verstehen Sie? Ich frage mich, ob Sie über das alles nachgedacht haben? Es gibt keine Weltwirtschaft. Jedes Land ist mit seiner eigenen Wirtschaft, mit seinen eigenen Gesetzen beschäftigt, identifiziert sich national mit einem bestimmten Stück Land. Es kann nicht mal ein vereintes Europa geben, weil jede Nation auf die eine oder andere Weise leiden wird. Wenn wir keine Regierung bekommen, die nicht an eine Örtlichkeit gebunden, nicht isoliert ist, wird es in der ganzen Welt Arbeitslosigkeit und Mangel an Möglichkeiten geben.
Solange wir Amerikaner, Briten, Franzosen, Italiener, Hindus, Kommunisten und Sozialisten sind, werden wir niemals Frieden in der Welt haben. Es wird immer Arbeitslosigkeit geben, es wird immer Kriege geben. Um Gottes Willen erkennen Sie das doch! Sobald Sie das als wahr erkannt haben, identifizieren Sie sich nicht mehr mit irgendeinem Land, mit irgendeiner Gruppe, mit irgendeiner Religion. Aber man muss dabei voller Leidenschaft sein. Es darf nicht nur intellektuelle Vorstellung bleiben. Wie die Dinge jetzt liegen, werden die Probleme des Lebensunterhaltes immer größer werden. So wie die Dinge liegen, werden Sie mehr Kriege haben. Ich weiß nicht, ob Sie das gehört haben, was man mir neulich erzählt hat: In Russland ist das Innerste eines Atomreaktors geschmolzen und verbreitete Radioaktivität. So musste ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern für die nächsten fünfundzwanzigtausend Jahre hermetisch abgeriegelt werden. Verstehen Sie, was ich sage? Das ist der Zustand, in dem die Welt ist. Und es scheint niemanden zu bekümmern. Sie mögen demonstrieren, aber die Politiker wissen, wie sie diese Demonstrationen nutzen können. Aber ehe nicht jeder von uns, der zuhört, wirklich die Gefahr erkennt, die sich aus Abtrennung ergibt – als Juden, Araber, Hindus, Mohammedaner, Briten – werden wir in dauernder Unsicherheit und mit fortwährenden Kriegen leben.
Wir sprechen über Abtrennung, Abspaltung in Gruppen, in Religionen, in Individuen. Solange diese Aufteilungen bestehen bleiben, wird es immer mehr und nicht weniger Arbeitslosigkeit geben. Und mehr Kriege.
Zuhörer: Selbst wenn wir keine getrennte nationale Identität hätten, müssten wir doch gewiss irgendeine Form von Regierung haben?
K: Natürlich, mein Herr, aber eine, die nicht auf Nationalismus gründet.
Zuhörer: Wer wird dann Politiker sein?
K: Oh mein Herr, sehen Sie, wir wollen das sofort organisieren! Es gibt eine Geschichte, die der Sprecher wahrscheinlich erfunden hat. Zwei Leute gehen auf der Straße. Sie waren Freunde. Sie hatten über die Welt gesprochen und darüber, wie bedrückend doch alles war, wie langweilig, wie ermüdend, wie böse alles geworden war. Während sie so gingen, sah einer von ihnen etwas auf dem Pflaster liegen und hob es auf. Und das, was er sah, verwandelte ihn. Er wurde ungewöhnlich vital und glücklich, voller gewaltiger Energie. Und der andere Bursche sagte: »Was hast du gefunden? Was war es, das dich plötzlich so schön machte?« Er antwortete: »Ich habe die Wahrheit gefunden.« Und der andere sagte: »Prima, komm, wir wollen das organisieren.«
Wir müssen zuerst bei uns selber anfangen, mein Herr, nicht damit, was für eine Art von Regierung man brauchen wird, wer der Ministerpräsident, wer der Schatzmeister sein wird, wie viele parlamentarische Regierungen es geben soll – verstehen Sie? Wir wollen bei uns selber anfangen. Wenn alle, die wir hier in diesem Zelt sind, die Dringlichkeit unserer menschlichen Krise fühlen, dieses in unseren Herzen, in unserem Blut wirklich fühlen würden, hätten wir andere Regierungen in der Welt. Wir würden den Kriegen ein Ende bereiten.
K (beginnt eine Frage vorzulesen): Sie sagen ...
Sehen Sie, wir weisen nur auf etwas hin. Unsere Gehirne sind geprägt. Was immer geprägt ist, ist begrenzt. Was immer geprägt ist, ist abgetrennt, und diese Abtrennung, diese Prägung richtet große Zerstörung in der Welt an, was eine Tatsache ist. Und um diese Zerstörung in der Welt aufzuhalten, muss man bei sich selber beginnen und nicht nach dem Wie der Organisation von Regierungen fragen.
Bin ich nicht geprägt? Denke ich nicht von morgens bis abends endlos an mich? In der Meditation, bei der Arbeit, während ich alles mögliche tue? Ich bin wichtiger als jeder andere. Ich will, dass sich alle meine Wünsche erfüllen. Ich will jemand sein, man soll mich anerkennen. Ich bin dauernd mit mir selber beschäftigt. Der Wissenschaftler mag mit seinen Experimenten beschäftigt sein, aber auch er hat ein Eigeninteresse. Auch er ist ehrgeizig, will eine wunderbare Position, will von der Welt anerkannt werden, den Nobelpreis gewinnen. Ich kenne einige von ihnen. Einer bekam den Nobelpreis nicht, und Sie sollten gesehen haben, wie ihn das erschütterte, wie bitter und zornig es ihn machte. Er war ganz so wie Sie und ich und jeder andere.
Wenn Sie also wirklich in einer Welt des Friedens leben wollen, müssen Sie sehr nah beginnen, nämlich bei sich selber.