Brockwood 1983, Rede 3, Teil 1

Bitte, denken sie daran, dass hier kein Vortrag mit bestimmter Thematik gehalten wird, über die Sie sich informieren oder aus der Sie lernen sollten. Wir sprechen miteinander über unsere menschlichen Probleme: nicht nur über Probleme unseres täglichen Lebens mit der ganzen Mühe des Daseins, sondern darüber hinaus wollen wir auf die noch tiefere Frage eingehen, was jenseits aller Zeit liegt, was die Quelle, der Ursprung aller Schöpfung ist. Und wenn man sich in diesen Bereich begeben will, muss man gewiss bei dem beginnen, was wir selber sind, bei unserem Bewusstseinsinhalt, bei unseren Reaktionen, unseren Sorgen, unserer Einsamkeit, unseren Depressionen, Hochstimmungen, Ängsten und der Fortdauer des Vergnügens. Und man muss auch untersuchen, ob es möglich wäre, allem Leid ein Ende zu setzen.

Wir sollten auch die Eigenart des Sterbens untersuchen und was Religion, Meditation und die ganze Einschränkung durch die Zeit ist. Wir wollen sehr tief auf diese Fragen eingehen, denn wenn wir nur die Oberfläche ankratzen, wie wir das für gewöhnlich tun, entdecken wir nur sehr wenig.

Können wir uns eingehend mit der Frage befassen, ob die Inhalte unseres Bewusstseins jemals ein Ende haben können? Das heißt, ob unsere psychologischen Verletzungen, Schmerzen, Ängste, alle Erinnerungen, an die wir uns klammern, die Freuden, der Kummer und das Leid aufhören können. Kann das alles, das ja unser Bewusstsein ausmacht und das ist, was wir sind, aufhören?

Die meisten von uns sind nur an sich selber, an den eigenen Leistungen, am eigenen Erfolg oder Versagen interessiert. Wir messen unserem Tun kleiner Dinge große Bedeutung bei. Kann das alles aufhören, und können wir etwas ganz Neues entdecken? Nicht nur entdecken sondern erfahren? Wir müssen mit diesem Wort »Erfahrung« sehr vorsichtig umgehen. In Wirklichkeit gibt es gar nichts zu erfahren. Wenn man sowohl die Zeit als auch die Angst überschreiten würde – sofern das möglich wäre – gäbe es dann noch irgendetwas zu erfahren?

Wir wollen uns nun gemeinsam damit befassen. Sie hören nicht bloß dem Sprecher zu, hören nicht bloß eine Menge zusammengefügter Worte und Gedanken, sondern wir wollen gemeinsam untersuchen, ob die bedrückende Prägung und Programmierung unserer Gehirne enden kann.

Das alles setzt sehr viel ernste Absicht und beachtliche Aufmerksamkeit voraus. Wenn Sie gewillt sind, dem nicht nur oberflächliches sondern tiefergehendes Interesse zu schenken, können wir uns vielleicht gemeinsam damit beschäftigen und sehen, ob es etwas Unendliches gibt, jenseits aller Zeit.

Erkennen Sie zunächst einmal, dass das Denken ein materieller Vorgang ist und deshalb begrenzt ist? Erkennen Sie, dass Handlung, die auf diesem einschränkenden Vorgang gründet, unvermeidlich Konflikt nach sich ziehen muss? Denken ist ein materieller Vorgang. Materie ist begrenzte Energie. Und unser gesamter Bewusstseinsinhalt ist das Ergebnis des materiellen gedanklichen Vorganges. Wir haben wieder und wieder gesagt, dass das Denken ein materieller Vorgang ist. Unser Bewusstseinsinhalt mit seinen Reaktionen und Erwiderungen ist durch den materiellen Vorgang des Denkens zusammengefügt worden, des Denkens, das begrenzt ist. Deshalb ist unser Bewusstsein – und das ist das, was wir sind, gleichgültig, was wir meinen, was wir seien – immer begrenzt.

Wenn Sie mit sich selber, mit Ihren Problemen, Ihren Beziehungen, Ihrem Status in der Gesellschaft usw. beschäftigt sind, ist diese Beschäftigung eine sehr kleine, eine beschränkte Sache. Erkennen Sie das wirklich oder ist es nur eine Idee, die man untersucht hat und aus der man seine Schlussfolgerung gezogen hat, um dann zu sagen: »Ich bin das«? Oder erkennen Sie augenblicklich, sofort, dass jede selbstsüchtige Aktivität sehr sehr beschränkt ist – gleichgültig ob im Namen der Religion, des Friedens, im Namen eines gut geführten Lebens usw. – dass diese selbstsüchtige Aktivität immer beschränkt ist und aus diesem Grund Konflikt verursacht? Erkennen Sie das wirklich? Oder ist es bloß eine Idee? Sehen Sie den Unterschied zwischen der Wirklichkeit und der Idee?