Brockwood 1983, Rede 4, Teil 1
Das ist unser letztes Gespräch. Wir haben diese Reihe von Reden damit begonnen, dass wir fragten, warum die Menschen auf dieser so wunderschönen Erde nicht in Frieden miteinander leben können. Warum müssen wir Kriege führen? Warum brauchen wir wirtschaftliche, soziale, rassische Unterschiede? Warum können wir nicht in Ruhe und einer gewissen Gelassenheit miteinander leben – gleichgültig um was für eine Art von Beziehung es sich handelt – intim oder nicht-intim. Offensichtlich ist das unmöglich, weil die große Mehrheit der Menschen in aller Welt sehr gewaltsam ist. Sie wollen keinen Frieden. Noch wollen ihn die Regierungen. Sie reden zwar sehr viel darüber, aber sie bereiten sich alle auf ewig anhaltenden Krieg vor. Auch die Religionen haben dem Menschen keinen Frieden gebracht. Es gibt auf Erden keinen Frieden wegen der Stammesunterschiede, der örtlichen Gottheiten und Erlöser, der religiösen Hierarchie, die wir selber geschaffen haben.
Wir haben gemeinsam darüber gesprochen, ob wir den Konflikt in unserem Alltag und in uns selber beenden, vom Schatten aller Angst freiwerden und dem Leid ein Ende bereiten können. Können wir uns ganz von der selbstsüchtigen Aktivität distanzieren, die eine der Hauptursachen des Konflikts, nicht nur im Äußeren, sondern auch im Inneren darstellt? Es gibt nur sehr sehr wenige, die ernsthaft genug zu sein scheinen, um sich damit eingehend zu befassen und um zu erkennen, dass es eine ganz andere Lebensweise gibt. Deshalb wollen wir uns heute früh nicht nur mit der Frage des Friedens, sondern auch mit der des Ursprungs, des Anfangs allen Lebens befassen.
Warum ist der Mensch so geworden wie er ist? Warum sind wir nach vielen Jahrtausenden immer noch sehr sehr primitiv und barbarisch in psychologischer Hinsicht? Wir sind enorm fortgeschritten in technologischer Hinsicht, und vielleicht wird uns gerade diese Technologie zerstören. Wir sollten ernsthaft untersuchen, ob es das unvermeidliche Los des Menschen ist, so zu leben. Oder ist vielleicht etwas mit der ganzen menschlichen Evolution schiefgegangen? Gibt es etwas außerhalb, jenseits des menschlichen Ermessens, das uns – falls wir es zutiefst verstünden – die Augen und die Herzen öffnen würde, damit wir auf natürliche und schlichte Weise ein glückliches, heiteres Leben leben könnten? Das wollen wir heute früh untersuchen.
Zunächst einmal müssen Sie das Wort »Erfahrung« verstehen. Erfahrung ist ein Vorgang des Wissenserwerbes, des Vertrautwerdens mit etwas. Und dieses Wissen mag eine der grundlegenden Ursachen von Konflikt und Unwissenheit sein. Damit ist nicht das Wissen hinsichtlich der äußeren Welt, nicht das technologische Wissen, das wissenschaftliche, das medizinische Wissen usw. gemeint sondern das aufgespeicherte Wissen der Menschheit, das die ganze Last der Vergangenheit ausmacht. Dieses mag Konflikt verursachen. Wir haben darüber gesprochen, und wir wollen uns weiter damit befassen.
Wir sollten gemeinsam untersuchen, ob es einen äußeren Urheber gibt, der jenseits menschlichen Ermessens ist, jenseits vom Menschen selber, vom Menschen, der das Maß setzt. Ob es einen äußeren Urheber gibt, an den man sich wenden, zu dem man beten, von dem man Führung erbitten kann. Oder können wir so grundlegend realistisch sein zu sagen, dass wir das selber sind, so dass es keinen äußeren Urheber gibt? Ich hoffe, wir verstehen uns.
Das hier ist, wie wir neulich schon sagten, weder ein Vortrag noch eine Sonntag-Morgen-Predigt. Noch ist es ein Versuch Sie zu belehren, zu überzeugen oder irgendwelche Art von Propaganda zu betreiben. Wenn wir können, wollen wir eine gemeinsame Reise machen, zusammen spazieren gehen und die Dinge so sehen, wie sie sind und dann darüber hinausgehen.
Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Ist es der Mensch, der sein Bewusstsein, seine Reaktionen, seine Erinnerungen ist? Ist er das Maß? Oder gibt es etwas außerhalb von ihm, das ihm helfen könnte, wenn es ihm gelänge, damit in Verbindung zu treten? Das war immer die Aufgabe der Religion. Überall in der Welt hat der Mensch seit frühester Zeit etwas gesucht, das außerhalb seiner selbst lag. Er sagte: »Es gibt etwas Göttliches in mir, aber es wird von Neid, Gier, Ehrgeiz und Grausamkeit zugedeckt, und das alles kann man ablegen.« Und dann setzte er fort: »Der immerwährende Zweck rechten Verhaltens ist, alle Schichten unseres hässlichen, brutalen, ängstlichen, ehrgeizigen, aggressiven Lebens abzustreifen.«