Brockwood 1983, Rede 1, Teil 1
Bitte, denken sie daran: das ist keine Unterhaltung hier. Es ist weder ein intellektueller Genuss noch eine intellektuelle Anregung. In diesen vier Reden werden wir uns mit dem schwierigen Problem des Zusammenlebens in dieser Welt befassen, die schon fast verrückt ist. Es gibt in dieser Welt soviel Chaos und Elend und eine fortwährende Kriegsdrohung. Und die Religionen leisten nur einen sehr geringen Beitrag, damit das alles in unserem Alltag und in der Welt nicht geschieht. Mit diesen Dingen sollten wir uns gemeinsam befassen.
Sie müssen sehr gut zuhören – nicht nur dem, was hier gesagt wird, sondern sie müssen auch dabei auf Ihre eigenen Reaktionen achten, Ihre Reaktionen der Zustimmung oder der Ablehnung, auf Ihre Einschränkungen, Ihre Widerstände, Ihre Ängste und wie kompliziert Sie auf jede Art der Anregung reagieren. Der Akt des Zuhörens ist bei der Untersuchung unseres gesamten gegenwärtigen Daseinsproblems sehr wichtig.
Die meisten sind sich gar nicht bewusst, dass wir sehr begrenzt, eingeschränkt sind. Unsere Gehirne sind programmiert und geprägt worden, und die meisten sind sich dessen nicht bewusst. Die Sprache hat uns geprägt. Umwelt, Tradition, Religion, die Einsamkeit unserer eigenen Illusionen, unsere Fantasien, die Einsamkeit unserer Sehnsüchte haben uns geprägt, geformt. So sind unsere Gehirne trotz des langen Evolutionsprozesses sehr sehr begrenzt. Nur ein sehr kleiner Teil des Gehirns handelt, denkt oder ist lebendig. Der Rest bleibt außer Kraft. Das sagen jene Spezialisten, die die Beschaffenheit des Gehirns und seine Tätigkeit studiert haben. Aber können Sie selber erkennen – ohne sich auf die Experten zu verlassen – dass Ihr Leben sehr klein ist?
Wir sind so sehr mit uns selber, mit unserem Erfolg, mit unserer Not und der ganzen Unruhe unseres eigenen begrenzten Daseins beschäftigt, mit Sorgen, Schmerz und Angst, den verschiedenen Reaktionsformen, die aus unseren Vorurteilen, unserer Voreingenommenheit, unseren Neigungen entstehen. Das alles prägt das Gehirn, so dass wir uns niemals der Gesamtheit des Lebens, des Daseins bewusst werden, das weit, unermesslich und von gewaltiger Kraft ist.
Können wir heute Vormittag unbeschwert und heiter die Art unseres eigenen Lebens, unsere Verhaltensweise und unseren Denkvorgang untersuchen? Und nicht nur untersuchen, sondern das Untersuchte auch anwenden? Die Untersuchung allein hat sehr wenig Sinn. Wir wollen zuerst uns selber, unsere Denkungsart untersuchen, warum wir so denken, warum wir Menschen, die auf dieser schönen Erde seit so vielen Jahrmillionen leben, immer noch unglücklich, gewaltsam sind und bereit, einander aus irgendwelchen idiotischen Gründen umzubringen. Wenn wir uns gemeinsam damit befassen könnten, wenn wir gemeinsam diesen Weg gehen könnten, der weder Anfang noch Ende hat, dann wird unser Treffen hier vielleicht lohnend sein.
Aber bloß Jahr um Jahr hier zuzuhören und das Gehörte niemals anzuwenden gleicht einer Zeit- und Kraftverschwendung. Können wir also heute Vormittag ernst genug sein, diese Welt, in der wir leben, die wir geschaffen haben, anzuschauen? Die Gesellschaft ist das Ergebnis unseres eigenen komplizierten Lebens. Unsere Gesundheit, unsere Umwelt, unsere Kultur, unser Nationalgefühl usw. prägen uns. Wenn wir diese Prägung nicht auflösen, werden wir so weitermachen, wie wir das seit Jahrtausenden tun. So werden Gewalt, Korruption, der Drang des Einzelnen nach Erfüllung, die Verfolgung eigener ehrgeiziger isolierter Bestrebungen ihren Fortgang nehmen, und wo Isolation ist, muss es Konflikt geben. Könnten wir uns heute Vormittag damit befassen? Wir stellen diese Frage ernsthaft, denn Sie haben sich die Mühe gemacht, herzukommen, und es ist nicht gut, bloß über Ideen, Erfahrungen und Reaktionen zu sprechen. Stattdessen sollten wir mit enormer Energie und Vitalität darangehen und sehen, ob es möglich wäre, diese Prägung aufzulösen, so dass das Gehirn nicht länger begrenzt ist und über enorme Fähigkeit verfügen wird.
Es verfügt jetzt schon über ungewöhnliche Fähigkeiten im technologischen Bereich, in der Welt der Computer, der biologischen Chemie, der Gentechnik und bei verschiedenen anderen Aktivitäten, die Versuche sind, das Gehirn von außen zu beeinflussen. Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen versuchen verzweifelt, eine Veränderung im Menschen zu bewirken. Sie versuchen, durch eine Veränderung der Gene den Menschen zu etwas ganz anderem zu machen. Und der Computer übernimmt viele unserer Aktivitäten. Aber das kommt alles von außen. Auch die Kommunisten haben versucht, den Menschen zu beherrschen und ihn zu verändern, indem sie seine Umwelt veränderten. Sie versuchten es mit Autorität, mit Disziplin, durch vollkommenen Gehorsam, und sie haben keinen Erfolg gehabt.