Das Falsche als falsch erkennen – Teil 1

Der Abend war herrlich. Der Himmel flammte blutig rot hinter den Reisfeldern, und die hohen, schlanken Palmen wiegten sich in der Brise. Ein Omnibus voller Menschen kletterte lärmend und ratternd den kurzen Hang hinauf, der Fluss zog auf seinem Weg zum Meer einen weiten Bogen um die Höhe. Das Vieh war fett und rund, die Weiden standen in üppigem Grün, und allenthalben gedieh eine Fülle der schönsten Blumen. Auf einer Wiese spielten ein paar dicke, kleine Jungen, und die kleinen Mädchen sahen ihnen mit erstaunten Augen zu. In der Nähe stand ein kleiner Schrein, ein Mann entzündete eben eine Lampe vor dem heiligen Bildnis. In einem einsam gelegenen Haus wurde die Abendandacht gehalten, der Raum war durch eine Lampe erhellt, die nur ein kümmerliches Licht gab. Die ganze Familie war versammelt, und alle verrichteten ihre Gebete in freudiger Sammlung. Mitten auf der Straße lag ein Hund in festem Schlaf, ein Radfahrer, der des Weges kam, schlug achtsam einen Bogen um ihn. Jetzt wurde es rasch dunkel, die Glühwürmchen warfen ihren Schein auf die Gesichter der Menschen, die schweigend an uns vorüberkamen. Eins dieser Tierchen verfing sich im Haar einer Frau und umwob ihren Kopf mit seinem milden Schimmer.

Wie gütig sind wir Menschen von Natur aus, wenn wir fern von den großen Städten sind und unser Leben in ländlicher Gemeinschaft verbringen! Einfachen Menschen, die das Fieber des Ehrgeizes noch nicht erfasst hat, kommt man ja so leicht und rasch nahe. Der Knabe lächelt uns an, das alte Mütterchen staunt, der Mann verhält seinen Schritt und geht nur zögernd vorbei. Eine Gruppe hält in ihrer lauten Unterhaltung inne und mustert uns voll Neugier und Interesse, und eine Frau wartet so lange am Weg, bis wir vorüber sind.

Wir kennen uns ja selbst so wenig, das heißt, wir wissen wohl einiges von uns, aber wir verstehen es nicht zu deuten. Auch von anderen wissen wir dies oder jenes, aber wir haben doch keine Verbindung mit ihnen. Wie könnten wir auch andere Menschen kennen, da wir uns selbst so fremd sind? Wir können einander nicht kennen, wir können nur miteinander verbunden sein. Wissen kann man nur um das Tote, nie um das Lebendige, was wir kennen, ist tote Vergangenheit, nicht lebendiges Leben. Wenn wir des Lebendigen gewahr werden wollen, müssen wir das Tote in uns begraben. Wir kennen die Namen von Bäumen, Vögeln oder Geschäften, aber was wissen wir von uns selbst, das über ein paar Worte und Gelüste hinausginge? Wir sind über so vieles unterrichtet und haben Ansichten und Urteile über tausenderlei Dinge bereit, aber das Glück ist uns fern, und wenn wir Frieden haben, dann ist es ein fauler Friede. Unser Leben ist stumpf und leer, oder so mit Worten und Geschäftigkeit angefüllt, dass uns der Blick in die Weite verstellt ist. Wissen ist keine Weisheit, und ohne Weisheit gibt es keinen Frieden und kein Glück.

Er war ein junger Mann, irgendein Professor, unzufrieden, sorgenvoll und überladen mit Verantwortung. Seine Klage galt dem traurigen Los, das ihm und uns allen beschieden sei. Er habe eine gute Erziehung genossen, sagte er – das hieß, dass er hauptsächlich Lesen gelernt und Kenntnisse aus Büchern gesammelt hatte. Im Zusammenhang damit hob er hervor, er habe während seines Studiums so viele Vorlesungen besucht, wie er irgend konnte. Endlich kam er darauf zu sprechen, dass er schon seit Jahren versuche, das Rauchen aufzugeben, aber bis jetzt noch nie ganz davon losgekommen sei. Er wolle damit Schluss machen, weil es ein recht teures Vergnügen und außerdem eine ausgemachte Torheit sei. Um endlich so weit zu kommen, habe er schon das Menschenmögliche versucht, aber jeder dieser Versuche habe mit einem neuen Rückfall geendet. Dies war nur eines der vielen Probleme, mit denen er sich herumschlug. Er war überaus mager und machte einen angespannten, nervösen Eindruck.

Sind wir imstande, etwas zu begreifen, wenn wir es verdammen? Es von sich zu stoßen oder sich darein zu finden, ist leicht, aber eben dieses Missbilligen oder Billigen ist ein Ausweichen vor dem Problem. Wenn man ein Kind von sich stößt, damit es einen nicht mehr belästigt, so ist das Kind darum nicht weg, sondern immer noch da. Verdammen heißt wegschauen, nicht beachten, daher kann verdammen nie zur Einsicht führen.

»Ich habe mich wegen dieser dummen Raucherei schon hundertmal selbst verflucht. Man kann ja nicht umhin, solche Schwachheit zu verdammen – und wenn es die eigene ist.«

Ja, Sie haben recht, man kann nicht umhin, zu verdammen. Unsere ganze Einstellung zum Leben beruht ja auf Ablehnung, Rechtfertigung, Vergleich und Verzicht. Das ist unser Hintergrund, die Einstellung, mit der wir an jedes Problem herantreten. Diese Einstellung selbst ist aber die Ursache von Problemen und Konflikten. Sie haben versucht, dem Rauchen mit Vernunftgründen beizukommen, nicht wahr? Wenn Sie sagen, es sei töricht, dann haben Sie gewiss gründlich darüber nachgedacht und sind zu dem logischen Schluss gekommen, dass es töricht sei. Und doch konnten Ihre Vernunftgründe nicht bewirken, dass Sie die Torheit aufgaben.