Unermesslichkeit

Das Tal lag weit unten und war erfüllt von Tätigkeit wie die meisten Täler. Die Sonne ging gerade in der Ferne hinter den Bergen unter, und die Schatten wurden länger und dunkler. Es war ein ruhiger Abend, vom Meer wehte eine Brise. Die zahllosen Reihen Orangenbäume sahen fast schwarz aus, und auf der langen, geraden Straße, die durch das Tal lief, leuchtete hin und wieder ein Schimmer auf, wenn das Licht der sinkenden Sonne einen fahrenden Wagen traf. Der Abend war voller Zauber und Frieden.

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Das Denken schien weiten Raum und unendliche Entfernung zu umspannen; oder vielmehr schien es sich ins Endlose auszudehnen, und jenseits und hinter ihm war etwas, das alle Dinge umfasste. Der Verstand bemühte sich unklar, etwas, das nicht zu ihm gehörte, zu erkennen, sich daran zu erinnern, und hielt in seiner gewohnten Tätigkeit inne. Aber er konnte das, was von anderer Beschaffenheit als er selber war, nicht begreifen, und bald war alles, auch er selber, in die Unermesslichkeit miteingeschlossen. Es wurde immer dunkler; das Bellen der Hunde in der Ferne störte in keiner Weise das, was jenseits des Bewusstseins liegt. Darüber kann der Verstand nicht nachdenken und es daher auch nicht erleben.

Wer hat nun das wahrgenommen und zum Bewusstsein gebracht, was so grundlegend von den Erfindungen unseres Denkens abweicht? Wer erlebt es? Offenbar nicht der Verstand unserer alltäglichen Erinnerungen, Reaktionen und Triebe. Gibt es etwa noch ein anderes Denken, oder bleibt ein Teil unseres Verstandes brach liegen, bis er von dem, was über und jenseits allem Denken ist, geweckt wird? Wenn das wahr ist, dann ist das, was jenseits von Zeit und Denken liegt, immer in unserm Verstande. Und doch kann es nicht so sein, denn das ist rein spekulatives Denken und daher eine der vielen Erfindungen unseres Geistes.

Da aber das Unermessliche nicht aus dem Denkvorgang geboren wird, wer nimmt es dann wahr? Der Verstand als derjenige, der Erlebnisse hat? Oder wird das Unermessliche seiner selbst bewusst, weil es keinen Erlebenden mehr gibt? Als es damals beim Abstieg vom Berge eintrat, war kein Erlebender da; und doch war das Wahrnehmungsvermögen des Verstandes nach Beschaffenheit und Abstufung vollkommen verschieden von dem Unermesslichen. Der Verstand war nicht tätig, er war wach und passiv, und obgleich er die Brise, die zwischen den Blättern spielte, wahrnahm, fand keinerlei Bewegung in ihm statt. Es gab keinen Beobachter, der die Beobachtung abmaß. Es gab nur Das, und Das wurde seiner selbst gewahr, ohne Messen. Es hatte keinen Anfang und keine Worte.

Der Verstand wird sich dessen bewusst, dass er mit Erfahrung und Wort niemals das einfangen kann, was, zeitlos und unermesslich, ewig währt.