Meditation – Anstrengung – Bewusstsein – Teil 1

Das Meer lag östlich vom Tal hinter den Bergen, und mitten durch das Tal bahnte sich ein Fluss gemächlich seinen Weg zum Meere. Das ganze Jahr hindurch hatte der Fluss Wasser; er war herrlich anzusehen, sogar da, wo er an der großen Stadt vorbeifloss. Die Städter benutzten den Fluss für alles: sie angelten und badeten darin, sie tranken das Wasser und leiteten ihre Kloaken und den Abfall aus einer Fabrik hinein. Doch der Fluss stieß allen Schmutz der Menschen wieder aus, und kurz nachdem er über ihre Wohnstätten hinaus war, sah sein Wasser wiederum klar und blau aus.

Eine breite Straße führte am Fluss entlang gen Westen und bergauf zu den Teepflanzungen. Sie wand sich hin und her, ging mitunter vom Fluss ab, blieb aber meist dicht neben ihm. Dort, wo der Weg, dem Flusslauf folgend, anstieg, wurden die Teeplantagen immer größer, und hier und da standen Fabriken zum Trocknen und Vorbereiten der Teeblätter. Dann wurden die Besitzungen ungeheuer groß, und Wasserfälle begannen, im Fluss zu tosen.

Am Morgen konnte man farbig gekleidete Frauen, deren Haut von der glühenden Sonne fast schwarz verbrannt war, beobachten, wie sie mit vorgeneigtem Körper die zarten Blätter von den Teebüschen pflückten. Alles musste am Morgen vor einer bestimmten Zeit gepflückt und, ehe die Sonne zu heiß wurde, in die nächstliegende Fabrik getragen werden. In dieser Höhe brannte die Sonne stark und schmerzlich, und obwohl die Frauen daran gewöhnt waren, bedeckten einige von ihnen noch den Kopf mit einem Teil ihres Gewandes. Sie waren fröhlich, schnell und geschickt bei der Arbeit; bald würde ihr Tagewerk für heute beendet sein, doch die meisten von ihnen waren Hausfrauen und Mütter und würden noch kochen und die Kinder besorgen müssen. Alle gehörten einer Gewerkschaft an und wurden von den Teepflanzern ordentlich behandelt, denn es könnte verhängnisvoll werden, einen Streik zu bekommen und die zarten Blätter zu voller Größe auswachsen lassen zu müssen.

Der Weg führte immer weiter bergan, und die Luft wurde recht kalt. Auf dreitausend Meter Höhe gab es keine Teepflanzungen mehr; dort bearbeiteten Männer das Land und bauten allerlei an, was in die Städte am Meer hinuntergeschickt wurde. Von dieser Höhe hatte man eine herrliche Aussicht über die Wälder und Ebenen mit dem silbernen Fluss, der alles beherrschte. Der Rückweg führte über eine andere Straße, die durch grün schimmernde Reisfelder und tiefe Wälder lief. Hier gab es viele Palmen und Mangobäume, und überall standen Blumen. Die Menschen waren fröhlich und hatten vielerlei Dinge am Wegrande zum Verkauf hingestellt. Sie waren faul und bequem und schienen genug zu essen zu haben, ganz anders als unten in der Ebene, wo das Leben hart, dürftig und überfüllt war.

* * *

Er war ein Sannyasi, ein Mönch, gehörte aber keinem besonderen Orden an und sprach von sich selber nur in der dritten Person. Schon in jungen Jahren hatte er der Welt und allen weltlichen Dingen entsagt und war durch das ganze Land gewandert. Bei einigen wohlbekannten, religiösen Lehrern hatte er sich aufgehalten, Gespräche mit ihnen geführt und ihre besonderen Lehren und Vorschriften befolgt. Oft hatte er tagelang gefastet, hatte einsam in den Bergen gelebt und das meiste getan, was Sannyasis tun sollen. Durch ein Übermaß an asketischen Übungen hatte er sich körperlich geschädigt und obwohl es schon lange her war, litt sein Körper immer noch darunter. Eines Tages hatte er sich entschlossen, alle Übungen, religiösen Bräuche und Lehren aufzugeben, weil sie ihm eitel und bedeutungslos erschienen, und war in ein ganz entlegenes Bergdorf gegangen, wo er viele Jahre in tiefer Beschaulichkeit verbrachte. Dann sei das Übliche geschehen, erzählte er lächelnd, er sei selber berühmt geworden und habe eine große Gefolgschaft von Schülern bekommen, die einfache Dinge von ihm lernten. Er habe die alte Sanskrit Literatur studiert, aber auch das jetzt aufgegeben. Obwohl er es nötig gefunden habe, sein Leben kurz zu beschreiben, fügte er hinzu, sei das nicht der Grund, weshalb er gekommen sei.

»Meditation steht höher als Tugend, Opfer und selbstlose Hilfeleistung«, erklärte er. »Ohne Meditation werden Wissen und Handeln zu einer beschwerlichen Bürde ohne rechte Bedeutung, doch nur wenige Menschen wissen, was Meditieren ist. Wenn es Ihnen recht ist, lassen Sie uns darüber sprechen. Der Sprecher hat beim Meditieren Erlebnisse in verschiedenen Bewusstseinszuständen gehabt, ähnlich wie sie alle hochstrebenden Menschen früher oder später bekommen: Visionen der Verkörperung von Krishna, Christus und Buddha. Das sind Ergebnisse des persönlichen Denkens, der Erziehung und dessen, was man seine Kultur nennen könnte. Es gibt Visionen, Erlebnisse und Kräfte mannigfaltiger Art. Unglücklicherweise verfangen sich die meisten suchenden Menschen im Netz ihres eigenen Denkens und Wünschens – sogar einige der stärksten Vertreter der Wahrheit. Durch ihre Kraft zu heilen und die Gabe des Wortes werden sie zu Gefangenen ihrer eigenen Fähigkeiten und Erlebnisse. Auch der Sprecher hat derartige Erlebnisse und Gefahren durchgemacht, hat sie nach besten Kräften zu verstehen gesucht und ist darüber hinausgegangen – wenigstens hofft er es. Was ist aber Meditieren?«

Will man das Meditieren betrachten, so muss man zweifellos auch Anstrengung und den Urheber von Anstrengung zu verstehen suchen. Rechtes Bemühen führt zu einem anderen Ergebnis als falsches, beide sind jedoch bindend, nicht wahr?