Leben in Wettbewerb – Teil 1

Die Straße war voll mit Affen; mitten auf dem Wege spielte ein ganz kleines Äffchen mit seinem Schwanz, aber die Mutter behielt es ständig im Auge. Sie hatten alle bemerkt, dass jemand in der Nähe war – allerdings in sicherer Entfernung. Die ausgewachsenen, männlichen Tiere – groß und schwer und ziemlich bösartig – wurden von den meisten anderen Affen gemieden. Alle aßen Beeren, die von einem großen, schattigen Baum mit dichten Blättern auf die Straße gefallen waren. Der Regen hatte vor kurzem den Fluss angeschwellt, und das Wasser gurgelte unter der schmalen Brücke. Die Affen vermieden das Wasser und die Pfützen auf der Straße, und wenn ein Auto erschien und der Schmutz aufspritzte, waren sie in einer Sekunde vom Wege herunter, wobei die Mutter immer das Kleine mit sich nahm. Ein paar kletterten auf die Bäume, andere liefen die Böschung zu beiden Seiten des Weges herab; aber kaum war der Wagen vorbeigesaust, so waren sie auch schon alle wieder da. Inzwischen hatten sie sich an die Gegenwart der Menschen gewöhnt. Sie waren so ruhelos wie der menschliche Geist und stets voller Listen.

Die Reisfelder zu beiden Seiten der Straße schimmerten köstlich grün in der warmen Sonne, und die Reisvögel mit ihrem trägen Flügelschlag zeichneten sich weiß gegen die blauen Hügel jenseits der Felder ab. Eine lange, bräunliche Schlange war aus dem Wasser hervorgekrochen und ruhte sich nun in der Sonne aus. Auf der Brücke hatte sich ein strahlend blauer Eisvogel niedergelassen und bereitete sich wieder zum Tauchen vor. Es war ein herrlicher Morgen, nicht zu heiß, und die vereinzelten Palmen auf den Reisfeldern erzählten von allen möglichen Dingen. Zwischen den grünen Feldern und den blauen Hügeln bestand eine Beziehung, wie Zwiegesang. Die Zeit schien dahinzueilen. Gabelweihen kreisten am blauen Himmel; ab und zu setzten sie sich auf einen Ast, um ihr Gefieder zu putzen, dann flogen sie wieder auf, lockten einander und fingen aufs neue zu kreisen an. Es waren auch einige Adler da, mit weißen Hälsen und goldbraunen Flügeln und Körpern. Zwischen dem neugesprossenen Gras liefen große, rote Ameisen; sie rannten ruckartig vorwärts, hielten plötzlich inne und rannten dann in entgegengesetzter Richtung weiter. Das Leben war so reich, so übervoll – und so wenig beachtet, was all die großen und kleinen Lebewesen vielleicht gerade wollten.

Ein junger Ochse mit Glocken am Hals zog einen leichten, gut gebauten Karren; die beiden großen Räder waren durch eine dünne Stahlstange verbunden, auf der eine hölzerne Plattform befestigt war. Auf der Plattform saß ein Mann – stolz auf seinen schnell trabenden Ochsen und den ganzen Aufzug. Das starke, schlanke Tier verlieh ihm Bedeutung. Jeder würde sich jetzt nach ihm umsehen, und die vorübergehenden Dorfbewohner taten es auch. Sie standen still, betrachteten ihn mit bewundernden Augen, machten Bemerkungen und gingen dann erst weiter. Wie stolz und aufrecht saß der Mann da, den Blick geradeaus gerichtet! Ob sich Stolz nun in kleinen oder großen Dingen zeigt, er bleibt sich seinem Wesen nach gleich. Was man tut und was man hat, verleiht einem Bedeutung und Ansehen; doch der Mensch an sich als vollständiges Wesen scheint kaum je wichtig zu sein.

* * *

Er kam mit zwei Freunden zusammen. Sie hatten die Universität besucht, und es ging ihnen in ihren verschiedenen Berufen gut. Alle waren verheiratet, hatten Kinder und schienen mit dem Leben zufrieden, und doch waren sie auch irgendwie verstört.

»Ich möchte gern, wenn ich darf, eine Frage stellen«, sagte er, »um unser Gespräch in Gang zu bringen. Es ist keine müßige Frage, sie hat mich vielmehr sehr beschäftigt, seitdem ich Sie vor ein paar Tagen sprechen hörte. Sie sagten unter anderem, dass Wettbewerb und Ehrgeiz zerstörende Triebe seien und man sie verstehen lernen müsse, um sich von ihnen zu befreien, wolle man in einer friedlichen Gesellschaftsordnung leben. Sind aber Kampf und Konflikt nicht gerade wesentliche Bestandteile unseres Daseins?«

Die heutige Gesellschaftsordnung gründet sich auf Ehrgeiz und Konflikt. Fast alle Menschen nehmen das als unvermeidliche Tatsache hin, und jeder wird dadurch beeinflusst; denn Erziehung und die verschiedensten Formen äußeren und inneren Zwanges halten den Menschen zum Wettbewerb an. Will er überhaupt in die Gesellschaft hineinpassen, so muss er die Bedingungen, die sie vorschreibt, annehmen, sonst wird es ihm schlecht gehen. Wir scheinen zu glauben, dass wir uns der Gesellschaft einordnen müssten – warum aber?

»Wenn wir es nicht tun, gehen wir unter.«

Ich weiß nicht, ob das wirklich geschehen würde, wenn man die volle Bedeutung des Problems übersieht. Dann würde man vielleicht nicht nach dem üblichen Schema leben, wäre aber schöpferischer und glücklicher und hätte einen ganz anderen Ausblick. Es kann aber nicht eintreten, solange man die gegenwärtige Gesellschaftsform als unvermeidlich anerkennt.