Ein glückseliges Erlebnis – Teil 1

Der Tag war sehr heiß und feucht. Im Park waren viele Leute, sie hatten sich im Gras ausgestreckt oder saßen auf Bänken im Schatten der hohen Bäume, fast alle hatten kühle Getränke bei sich, aber sie schnappten nach reiner, frischer Luft. Der Himmel war grau, nicht die geringste Brise regte sich, und die Dünste der ungeheuren, mechanisierten Stadt erfüllten die Luft. Auf dem Lande müsste es jetzt herrlich sein, denn der Frühling ging gerade in den Sommer über. Die Bäume würden mit grünem Laub bedeckt sein, und am Rande des Weges, der dem breiten, glitzernden Flusslauf folgt, blühten sicherlich alle möglichen Blumen. Tief im Walde würde das seltsame Schweigen herrschen, worin man fast wahrnehmen kann, wie Dinge geboren werden, und die Berge mit ihren tiefen Tälern würden blau leuchten und lieblich duften. Aber hier in der Stadt … !

Unsere Phantasie verdirbt die Wahrnehmung dessen, was ist, aber wie stolz sind wir doch auf alle Phantasie und Grübelei. Ein grübelnder Sinn mit seinen verschlungenen Gedankengängen ist unfähig, sich grundlegend zu ändern, er ist niemals revolutionär. Er hat sich mit dem, was sein sollte, umkleidet und folgt dem Schema seiner eigenen begrenzten und einschließenden Pläne. Das Gute liegt aber nicht in dem, was sein sollte, sondern im Verständnis dessen, was ist. Phantasie und Vergleich stehen der Wahrnehmung dessen, was ist, im Wege. Unser Denken muss alle Phantasie und Grübelei fahren lassen, wenn das Wirkliche zutage treten soll.

* * *

Er war noch recht jung, aber schon ein Geschäftsmann von Ruf und hatte eine Familie. Er sah sorgenvoll und elend aus und war voller Ungeduld, sich mitzuteilen.

»Vor einiger Zeit habe ich ein höchst merkwürdiges Erlebnis gehabt. Ich habe bisher zu keinem Menschen davon gesprochen und weiß nicht einmal, ob ich es Ihnen werde erklären können; ich hoffe aber wohl, denn ich kann zu niemand anderem damit gehen. Es war ein Erlebnis, das mein Herz restlos entzückte, aber es ist vorbei, und mir ist nichts als die leere Erinnerung geblieben. Vielleicht können Sie mir helfen, es wieder zu erleben. So gut ich kann, will ich Ihnen schildern, was für eine Gnade mir widerfuhr. Ich hatte schon von solchen Dingen gelesen, doch es waren für mich immer nur leere Worte gewesen, die vielleicht auf mein Gefühl einwirkten. Was mit mir wirklich geschah, lag jenseits meines Denkens, jenseits von Phantasie und Verlangen – aber jetzt habe ich es verloren. Bitte helfen Sie mir, es wieder zu gewinnen.« Er hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort.

»Eines Morgens wachte ich sehr früh auf, die ganze Stadt  schlief noch, ihr Rauschen hatte noch nicht begonnen. Ich fühlte den Drang auszugehen; so zog ich mich schnell an und ging auf die Straße hinunter. Der Milchwagen war noch nicht einmal auf seiner Runde. Es war zu Anfang des Frühlings, und der Himmel war lichtblau. Ein starkes Gefühl trieb mich, in den Park zu gehen, der etwa eine Meile entfernt liegt. Seit dem Augenblick, da ich aus meiner Haustür trat, hatte ich das Empfinden seltsamer Leichtigkeit, als ob mein Körper keine Schwere mehr habe. Das Gebäude gegenüber, ein düsteres Mietshaus, hatte all seine Hässlichkeit verloren, die Ziegel sahen rein und wie lebendig aus. Der kleinste Gegenstand, den ich sonst nie bemerkt hätte, schien eine ihm eigene, besondere Eigenschaft zu besitzen und merkwürdigerweise war es, als ob alles und jedes ein Teil von mir sei. Nichts war von mir getrennt, tatsächlich war das ›Ich‹, der Beobachter oder Wahrnehmende nicht mehr da – wenn Sie verstehen, was ich meine. Es gab kein ›Ich‹ abseits von dem Baum oder dem Stück Papier im Rinnstein oder den Vögeln, die einander lockten. Ich war in einem Bewusstseinszustand, den ich nie vorher erfahren hatte.«

»Auf dem Wege zum Park«, fuhr er fort, »ist ein Blumenladen. Ich bin hundertmal daran vorbeigegangen und warf immer gern einen Blick auf die Blumen. An diesem besonderen Morgen stand ich davor still. Die Glasscheibe war infolge der Wärme im Innern leicht beschlagen, aber ich konnte trotzdem die vielen verschiedenen Blumen deutlich erkennen. Wie ich da stand und sie alle betrachtete, ertappte ich mich dabei, dass ich zuerst lächelte, dann laut lachte, von einer Freude erfüllt, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Die Blumen sprachen zu mir, und ich antwortete ihnen, ich war unter ihnen, und sie waren Teil von mir. Wenn ich das jetzt erzähle, bekommen Sie vielleicht den Eindruck, dass ich etwas verrückt oder hysterisch war, aber nichts dergleichen. Ich hatte mich sehr sorgsam und rein angezogen, hatte ganz bewusst auf die Uhr gesehen, die Namensschilder der Läden, einschließlich dem meines Schneiders gesehen, sogar die Titel der Bücher im Fenster des Buchladens gelesen. Alles um mich her war lebendig, und ich liebte alles. Ich war der Blumenduft – obwohl kein ›Ich‹ da war, um an den Blumen zu riechen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Es gab keine Trennung zwischen den Blumen und mir. Der Blumenladen mit all seinen Farben war auf phantastische Weise lebendig, und die ganze Schönheit muss so überwältigend gewesen sein, dass die Zeit für mich stillstand. Ich habe sicherlich über zwanzig Minuten da gestanden, aber ich versichere Ihnen, ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Ich konnte mich kaum von den Blumen losreißen.«