Hilfe – Teil 1

Die Straße wimmelte von Menschen, und die Läden waren voller Auslagen. Es war der Stadtteil der Wohlhabenden, aber Leute aller Art gingen auf der Straße, Arme und Reiche, Arbeiter und Büroangestellte. Da gab es Männer und Frauen aus allen Teilen der Welt, ein paar trugen einheimische Tracht, aber die meisten westliche Kleidung. Viele Automobile fuhren vorbei, neue wie alte, und an diesem Frühlingsmorgen blitzten die teuren Wagen mit ihrem Chrom und Lack, und die Gesichter der Menschen lächelten strahlend. Auch die Geschäfte waren voller Leute,  aber nur sehr wenige schienen zu bemerken, dass der Himmel blau war. Die Schaufenster zogen sie an, die Auslagen der Kleider, Schuhe, neuen Automobile und der verschiedenen Lebensmittel. Überall gab es Tauben, die sich zwischen den vielen Füßen und der endlosen Wagenreihe hin und her bewegten. Auch ein Buchladen war da, voll von den neuesten Büchern zahlloser Schriftsteller. Die Leute schienen alle keine Sorgen zu haben; der Krieg war weitab, auf einem anderen Weltteil. Geld, Nahrungsmittel und Arbeit gab es reichlich, Erwerben und Ausgeben geschah in großem Stil. Die Straßen sahen wie enge Schluchten zwischen den riesenhohen Häusern aus, aber nirgends waren Bäume. Der Lärm war groß, und es herrschte die seltsame Rastlosigkeit der Menschen, die alles und doch nichts haben.

Eine gewaltige Kirche stand zwischen vornehmen Geschäften, ihr gegenüber ein ebenso großes Bankgebäude; beide waren achtunggebietend und scheinbar notwendig. In der großen Kirche hielt ein Priester in Chorhemd und Stola eine Predigt über Ihn, der für das Wohl der Menschheit gelitten hat. Die Leute knieten im Gebet, um sie herum waren Kerzen, Weihrauch und Heiligenbilder. Der Priester stimmte einen Gesang an, und die Gemeinde antwortete; zum Schluss standen alle auf und gingen auf die sonnige Straße heraus, und in die Geschäfte mit ihren vielen Auslagen. Jetzt war es still in der Kirche, wo nur ganz wenige zurückgeblieben waren, in ihre eigenen Gedanken versunken. Die Verzierungen, die Fenster mit ihren satten Farben, Kanzel, Altar und Kerzen – alles war dazu angetan, das menschliche Gemüt zu beruhigen.

Soll man Gott in der Kirche oder in seinem eigenen Herzen finden? Unser Drang nach Trost erzeugt Illusionen; es ist derselbe Drang, der Kirchen, Tempel und Moscheen erschaffen hat. Wir verlieren uns in all diesen oder in der Illusion eines allmächtigen Staates, und die Wirklichkeit geht an uns vorüber. Das Unwichtige verzehrt alles. Wahrheit – oder wie man es nennen will – lässt sich nicht, mit dem Verstande finden, unser Denken kann ihr nicht nachgehen, es gibt keinen Weg zu ihr, noch kann man sie mit Verehrung, Gebet oder Opfer erkaufen. Wenn wir Stärkung oder Trost suchen, werden wir ihn auf die eine oder andere Weise finden, aber gleichzeitig auch neue Schmerzen und Sorgen. Der Wunsch nach Trost und Sicherheit hat die Macht, jede Art Illusion zu erzeugen. Erst wenn unser Sinn still wird, besteht die Möglichkeit, dass das Wahre ins Dasein treten kann.

* * *

Eine kleine Gruppe hatte sich zusammengefunden, und B. begann mit der Frage, ob man nicht Hilfe nötig habe, wenn man das ganze verworrene Lebensproblem verstehen wolle. Sollte nicht ein erleuchtetes Wesen, ein Führer da sein, um den wahren Pfad zu zeigen?

»Haben wir all das in den letzten Jahren nicht ausführlich genug besprochen?« fragte S. »Ich für mein Teil suche keinen Guru oder Lehrer.«

»Wenn Sie tatsächlich keine Hilfe suchen, warum sind Sie dann hier?« sagte B. mit Nachdruck. »Wollen Sie uns zu verstehen geben, dass Sie jeden Wunsch nach Leitung aufgegeben haben?«

»Nein, das glaube ich nicht, und ich würde gern den Drang nach Führung oder Hilfe näher untersuchen. Ich mache nicht mehr die Runde bei allen möglichen ehrwürdigen und neuen Lehrern, wie ich es früher tat; aber ich brauche Hilfe und wüsste gern warum. Wird je die Zeit kommen, wenn ich keine Hilfe mehr nötig habe?«

»Ich würde wohl kaum herkommen, wenn man von niemandem Hilfe erwarten könnte«, sagte M. »Mir ist bei früheren Gelegenheiten geholfen worden, deshalb bin ich auch jetzt wieder hier. Und obwohl Sie auf das Unheil hingewiesen haben, das Gefolgschaft mit sich bringt, haben Sie mir doch geholfen, und ich werde weiter zu Ihren Vorträgen und Diskussionen gehen, so oft ich kann.«

Suchen wir hier nach Beweisen, ob uns wohl oder nicht geholfen werden kann? Ein Arzt, das Lächeln eines Kindes oder eines Vorübergehenden, eine menschliche Beziehung, ein Blatt, das der Wind verweht, ein Klimawechsel, selbst ein Lehrer oder Guru – all das kann uns helfen. Überall gibt es Hilfe für den Menschen, der wachsam ist; aber so viele unter uns geben nicht auf ihre Umgebung acht, außer auf einen bestimmten Lehrer oder ein Buch; und hierin liegt das Problem. Wenn ich spreche, passen Sie alle auf, nicht wahr? Wenn aber jemand anders dasselbe, vielleicht mit anderen Worten sagt, werden Sie taub. Sie hören nur demjenigen zu, den Sie für eine Autorität halten, und sind unaufmerksam, wenn andere sprechen.