Der Politiker, der Gutes tun wollte – Teil 1

Über Nacht hatte es geregnet, die Erde duftete und war noch feucht. Ein Pfad führte vom Fluss ab, zwischen alten Bäumen und Mangohainen dahin. Es war ein Pilgerpfad, von Tausenden begangen, die auf Pilgerschaft waren, denn eine über zweitausend Jahre alte Tradition forderte, dass alle guten Pilger diesen Pfad betreten müssten. Jetzt war indessen nicht die Zeit für Pilger, und an diesem besonderen Morgen gingen nur Dorfbewohner hier entlang. Es war ein wunderschöner Anblick, wie sie in ihrer buntfarbigen Kleidung, die Sonne im Rücken, mit ihren Lasten von Heu, Gemüse oder Brennholz auf dem Kopf daherkamen, wie sie mit Grazie und Würde schritten, während sie lachend zusammen die Angelegenheiten ihres Dorfes besprachen. Zu beiden Seiten des Pfades, soweit das Auge reichte, erstreckten sich grüne Felder, die mit Winterweizen, Schoten und anderen Gemüsen für den Markt bebaut waren. Es war ein herrlicher Morgen und der Himmel klar blau; ein Segen lag über dem Lande. Die Erde war etwas Lebendiges, sie war freigebig, reich und heilig. Es war nicht die Heiligkeit der von Menschenhand verfertigten Dinge, der Tempel, Priester und Bücher, sondern die Schönheit vollkommenen Friedens und völliger Stille. Man tauchte darin unter, und alles gehörte dazu: die Bäume, das Gras und der große Stier; sogar die Kinder, die auf der Erde spielten, merkten es, obwohl sie sich dessen nicht bewusst waren. Es war nichts Flüchtiges, sondern es war da, ohne Anfang und ohne Ende.

* * *

Er war Politiker und wollte Gutes tun. Er sagte, er fühle, dass er anders sei als alle übrigen Politiker, denn er sei wirklich um die Wohlfahrt des Volkes, um seine Nöte, seine Gesundheit und sein Wachstum besorgt. Natürlich sei er auch ehrgeizig – wer wäre es nicht? Der Ehrgeiz helfe ihm aber, mehr zu leisten, denn sonst sei er faul und unfähig, anderen Gutes zu tun. Er wolle gern Mitglied der Regierung werden, sei auch schon auf dem Wege dazu, und wenn er es erreicht habe, würde er dafür sorgen, dass seine Ideen zur Ausführung kämen. Er habe die Welt durchreist, die verschiedensten Länder besucht und alle möglichen Regierungsformen studiert, und nach gründlichem Studium habe er nun einen Plan ausgearbeitet, der seinem Lande wirklich Nutzen bringen könne.

»Aber jetzt weiß ich nicht, ob ich imstande sein werde, ihn durchzuführen«, sagte er, offenbar voller Schmerz. »Sehen Sie, ich fühle mich seit kurzem gar nicht wohl. Die Ärzte erklären, ich müsse mich schonen und mich unter Umständen einer sehr ernsten Operation unterziehen; aber ich kann mich nicht dazu bringen, das so einfach hinzunehmen.«

Wenn man fragen darf: was hindert Sie daran, sich zu schonen?

»Ich weigere mich, die Prognose anzuerkennen, dass ich für den Rest meines Lebens ein Invalide sein soll und nicht mehr tun kann, was ich will. Ich weiß, wenigstens theoretisch, dass ich das Tempo, an das ich gewohnt war, nicht mehr unbegrenzt aufrecht erhalten kann, aber wenn ich krank werde, wird mein Plan vielleicht nie zur Ausführung kommen. Es gibt natürlich noch andere ehrgeizige Leute, die sich dann unbarmherzig vordrängen werden. Ich bin bei mehreren Ihrer Vorträge gewesen und hatte den Wunsch, einmal zu Ihnen zu gehen und über alles zu sprechen.«

Liegt Ihr Problem in der Vereitlung Ihrer Pläne? Sie stehen vor der Möglichkeit langwieriger Krankheit, dem Sinken Ihrer Leistungsfähigkeit und Ihrer Beliebtheit und glauben, dass Sie all das nicht ertragen können, weil Ihnen das Leben ohne die Erfüllung Ihrer Pläne völlig wertlos erscheint; ist das richtig?

»Wie ich schon sagte, bin ich ebenso ehrgeizig wie alle andern, aber ich will außerdem Gutes tun. Andrerseits bin ich tatsächlich sehr krank, kann aber meine Krankheit nicht so einfach hinnehmen; daher tobt ein erbitterter Kampf in mir, und ich bin mir dessen bewusst, dass mich das nur noch kränker macht. Ich habe auch noch eine andere Furcht – nicht um meine Familie, für die ist gut gesorgt –, sondern um etwas, das ich nicht einmal vor mir selber habe in Worte fassen können.«

Meinen Sie die Furcht vor dem Tode?

»Ich glaube ja, oder vielmehr die Angst zu sterben, ohne das vollendet zu haben, was ich mir vorgenommen hatte. Das ist vielleicht meine größte Furcht, und ich weiß nicht, wie ich sie beschwichtigen soll.«

Wird Sie die Krankheit von aller politischen Tätigkeit fernhalten?

»Sie wissen ja, wie es damit geht. Wenn ich nicht selber im Mittelpunkt stehe, bin ich bald vergessen, und meine Pläne werden keine Aussicht haben. Im Prinzip werde ich mich von der Politik zurückziehen müssen, und dazu habe ich durchaus keine Lust.«