Der Zweck des Lebens – Teil 1

Der Weg vor dem Hause führte zum Meer hinab, er wand sich zwischen vielen kleinen Läden und großen Wohnhäusern, zwischen Garagen und Tempeln hindurch und an einem staubigen, verwahrlosten Garten entlang. Unten am Meer verbreiterte er sich zu einer großen Fahrstraße mit Taxen, klappernden Autobussen und dem ganzen Lärm einer modernen Stadt. Von der Fahrstraße führte eine friedliche, beschützte Allee mit gewaltigen Regenbäumen ab, die sich nur morgens und abends mit Wagen belebte, die auf ihrem Weg zu einem vornehmen Klubhaus mit Golfplatz und herrlichem Garten waren.

Als ich die Allee entlangging, lagen alle möglichen Bettler auf dem Pflaster; sie machten keinerlei Geräusch, streckten nicht einmal die Hand dem Vorübergehenden entgegen. Ein kleines Mädchen von etwa 10 Jahren hatte sich hingelegt, um auszuruhen, ihr Kopf lag auf einer Blechbüchse und ihre Augen standen weit offen; sie war schmutzig und hatte verfilztes Haar, aber als ich sie anlächelte, lächelte sie zurück. Etwas weiter unten kam mir ein kleines Kind von kaum drei Jahren mit ausgestreckter Hand und einem bezaubernden Lächeln entgegen. Die Mutter stand hinter einem Baum in der Nähe und beobachtete es. Ich ergriff die ausgestreckte Hand, und wir gingen ein paar Schritte zusammen zurück zu ihrer Mutter. Da ich kein Kleingeld bei mir hatte, kam ich am nächsten Tag mit einer Münze zurück, aber das kleine Mädchen wollte sie nicht haben, es wollte nur spielen; so spielten wir zusammen, und die Mutter bekam die Münze. Jedes Mal danach, wenn ich die Allee entlangging, war das kleine Mädchen mit dem scheuen Lächeln in den strahlenden Augen da.

Gegenüber dem Eingang zu dem vornehmen Klubhaus hatte sich ein Bettler auf die Erde gesetzt; er war mit einem schmutzigen Sack bedeckt, und sein Haar war verstaubt und verfilzt. An manchen Tagen, wenn ich vorbeikam, hatte er sich lang ausgestreckt, sein Kopf lag im Staube, und er hatte den Sack über seinen nackten Körper gebreitet. An anderen Tagen saß er wieder da, vollkommen ruhig, blickte vor sich hin, ohne etwas zu sehen, und hatte nur die gewaltigen Regenbäume über sich. Eines Abends gab es eine Lustbarkeit in dem Klub; alles war hell erleuchtet, und glitzernde Wagen voll lachender Menschen fuhren hupend vor. Aus dem Klubhaus kam leichte Musik und erfüllte die Luft. Viele Polizisten standen am Eingang, wo sich eine große Menschenmenge versammelt hatte, um die gut gekleideten und wohlgenährten Gäste in ihren Wagen anfahren zu sehen. All dem hatte der Bettler den Rücken gekehrt. Ein Mann ging an ihn heran, reichte ihm etwas zu essen, ein anderer bot ihm eine Zigarette an, aber er lehnte beides stillschweigend ab, ohne die geringste Bewegung zu machen. Langsam ging er dem Tode entgegen, Tag für Tag etwas mehr, während die Leute vorübergingen.

Die Regenbäume waren fantastisch geformt und standen massiv gegen den dunkler werdenden Himmel. Sie hatten nur sehr kleine Blätter, aber ihre Zweige erschienen gewaltig, und sie waren von seltsamer Hoheit und Abgeschlossenheit in der überfüllten Stadt voller Lärm und Leid. Und dann war da das Meer, unablässig in Bewegung, ruhelos und unbegrenzt. Weiße Segel erschienen darauf als bloße Punkte in der Unermesslichkeit, und auf dem tanzenden Wasser zeichnete der Mond seine silberne  Bahn. Die reiche Schönheit der Erde, Sterne in weiter Ferne und die unsterbliche Menschheit. Unermessliche Weite schien alles zu bedecken.

* * *

Er war ein noch ziemlich junger Mann und hatte eine lange, ermüdende Reise vom andern Ende des Landes her gemacht. Er hatte ein Gelübde abgelegt, nicht zu heiraten, ehe er nicht den Sinn und Zweck des Lebens gefunden habe. Sein Wesen war entschieden und angriffslustig; er arbeitete auf einem Kontor und hatte sich einen begrenzten Urlaub geben lassen, um die Antwort auf sein Suchen zu finden. Sein Geist war überaus geschäftig und streitsüchtig und so erfüllt von seinen eigenen Antworten und denen anderer, dass er kaum zuhören wollte. Seine Worte überstürzten sich, und er zitierte endlos, was Philosophen und Lehrer über den Zweck des Lebens gesagt hatten. Er machte einen gequälten und tief beunruhigten Eindruck.

»Wenn ich den Sinn des Lebens nicht erkennen kann, hat das ganze Dasein für mich keine Bedeutung und all mein Handeln muss Unheil stiften. Ich verdiene meinen Unterhalt, nur um weiterleben zu können; ich leide, und ich werde sterben. Das ist der Gang des Lebens, aber welchen Sinn hat all das? Ich weiß es nicht. Ich bin zu vielen Gelehrten und Gurus gegangen; jeder sagt etwas anderes. Was sagen Sie?«

Stellen Sie die Frage nur, weil Sie meine Worte mit denen anderer vergleichen wollen?

»Ja, denn dann kann ich wählen; meine Wahl wird sich nach dem richten, was ich für wahr halte.«

Glauben Sie, dass das Verständnis für Wahrheit von persönlicher Meinung und Wahl abhängt? Können Sie durch Wahl herausfinden, was wahr ist?

»Wie kann man sonst Wahrheit finden, außer durch Unterscheidung und Wahl? Ich werde Ihnen sehr aufmerksam zuhören, und wenn das, was Sie sagen, mich anspricht, will ich alles, was die andern gesagt haben, verwerfen und mein Leben ganz nach Ihrem Ziel richten. Mein Verlangen, den wahren Lebenszweck zu finden, ist wirklich sehr aufrichtig.«