Ihre Kinder und deren Erfolg – Teil 1

Es war ein bezaubernder Abend. Die Spitzen der Flügel erglühten in der untergehenden Sonne, und vier Spechte badeten sich im Sand auf dem Wege, der quer durch das Tal lief. Mit ihren länglichen Schnäbeln wühlten sie zuerst im Sand unter sich und schoben dann mit flatternden Schwingen ihre Körper tiefer hinein, dann fingen sie das Spiel wieder von vorn an, während die kleinen Federbüsche auf ihren Köpfen auf und ab tanzten. Sie riefen einander zu und vergnügten sich gründlich. Um sie nicht zu stören, traten wir vom Wege herunter auf das kurze, dicke Gras, das noch nass vom Regen war; und da, nur ein paar Schritte entfernt, lag eine große Schlange – gelb und gewaltig. Ihr Kopf war glatt, markiert und grausam geformt. Sie war zu gespannt auf die Vögel gerichtet, um sich stören zu lassen, ihre schwarzen Augen beobachteten bewegungslos, während sie ihre schwarze, gespaltene Zunge immer wieder hervorschoss und einzog. Fast unmerkbar bewegte sie sich auf die Vögel zu, ihre Schuppen glitten lautlos über das Gras. Es war eine Kobra, und um sie herum war Tod. Im dunkler werdenden Lichte schimmerte sie gefährlich aber herrlich, wahrscheinlich hatte sie vor kurzem ihre alte Haut abgeworfen. Plötzlich flogen die vier Vögel mit Geschrei auf, und dann sahen wir etwas ganz Außerordentliches: wie eine Kobra sich entspannte. Sie war so straff, so gespannt gewesen, dass sie nun fast leblos erschien, wie ein Stück Erde – und doch in der nächsten Sekunde könnte sie wieder tödlich sein. Sie bewegte sich ruhig weiter, hob nur den Kopf, als wir ein leichtes Geräusch machten, und eine seltsame Stille – von Furcht und Sterben – ging mit ihr dahin.

* * *

Sie war eine kleine ältliche Dame mit weißem Haar, aber noch gut aussehend. Obwohl ihre Sprache sanft war, deuteten ihre Gestalt, ihr Gang, ihre Gebärden und die Haltung ihres Kopfes auf eine tief eingewurzelte Angriffslust, die ihre Stimme auch nicht ganz verbergen konnte. Sie hatte eine große Familie, mehrere Söhne und Töchter; ihr Mann war schon vor einiger Zeit gestorben und sie hatte ihre Kinder allein groß gezogen. Einer der Söhne, erzählte sie mit deutlichem Stolz, sei ein erfolgreicher Arzt und guter Chirurg mit einer großen Praxis. Eine Tochter sei tüchtig und erfolgreich in der Politik und könne sich ohne allzu große Schwierigkeit durchsetzen; das sagte sie mit einem Lächeln, wie um anzudeuten: ›Sie wissen ja, wie Frauen sind‹. Dann erklärte sie weiter, dass diese politische Dame geistige Bestrebungen habe.

Was verstehen Sie unter geistigen Bestrebungen?

»Sie möchte Leiterin einer religiösen oder philosophischen Gruppe werden.«

Es ist zweifellos von Übel, wenn man durch eine Organisation Macht über andere Menschen ausübt, nicht wahr? Aber das ist die Art aller Politiker, ob sie sich nun in der Politik oder woanders betätigen. Ist nicht jeder Machtdrang böse, auch wenn er sich hinter angenehmen und trügerischen Worten verbirgt?

Sie hörte zu, aber die Worte hatten offenbar keine Bedeutung für sie. Auf ihrem Gesicht stand deutlich die Sorge um etwas geschrieben; was es war, würde sich wohl bald zeigen. Dann fuhr sie fort, über die Betätigungen ihrer anderen Kinder zu erzählen, die alle gesund und tüchtig waren bis auf einen Sohn, den sie besonders liebte.

»Was ist Kummer?« fragte sie plötzlich. »Mein Leben lang habe ich ihn immer irgendwo im Hintergrunde gespürt. Obwohl alle meine Kinder bis auf eins wohlhabend und zufrieden sind, hat mich doch stets Kummer begleitet. Ich kann es mir nicht recht erklären, aber er hat mich verfolgt, und ich liege oft nachts wach und denke nach, was er wohl für einen Grund haben könne. Ich mache mir auch Sorge um meinen jüngsten Sohn. Sehen Sie, alles schlägt ihm fehl. Was er anrührt, zerbricht: seine Ehe, die Beziehungen zu seinen Brüdern und Schwestern und zu seinen Freunden. Fast nie bekommt er Arbeit, und wenn es ihm doch einmal gelingt, geschieht etwas und er verliert sie wieder. Es scheint unmöglich, ihm zu helfen. Ich mache mir rechte Sorge um ihn, aber obwohl er zu meinem Leid beiträgt, glaube ich doch nicht, dass er der wahre Grund dafür ist. Was ist Kummer? Ich habe Ängste, Enttäuschungen und körperliche Schmerzen erlebt, aber dieses durchdringende Leid ist etwas ganz anderes, und es ist mir noch nie gelungen, die Ursache zu finden. Könnten wir einmal darüber sprechen?«

Sie sind sehr stolz auf Ihre Kinder und ganz besonders auf deren Erfolge, nicht wahr?

»Ich denke mir, jede Mutter wäre es, denn sie haben sich alle bewährt, außer dem Jüngsten. Sie sind alle wohlhabend und glücklich. Aber warum fragen Sie?«

Vielleicht hat es etwas mit Ihrem Kummer zu tun. Sind Sie ganz sicher, dass Ihr Leid nicht mit den Erfolgen Ihrer Kinder zusammenhängt?

»Natürlich. Im Gegenteil, ich bin sehr glücklich darüber.«

Was halten Sie dann für die Ursache Ihres Kummers? Wenn ich fragen darf, hat der Tod Ihres Mannes Sie sehr tief getroffen? Sind Sie immer noch davon berührt?

»Es war ein schwerer Schlag, und ich war sehr einsam nach seinem Tode, aber ich vergaß Einsamkeit und Kummer bald genug, denn ich musste mich ja um die Kinder kümmern und hatte keine Zeit, an mich selber zu denken.«